Durch die Blume gesagt...

Kampagne für ein Blumenlabel

Von Hans Z’graggen

Blumen sind ein gutes Geschäft, am wenigsten profitieren allerdings die Arbeiter/-innen in den Blumenbetrieben des Südens. Immer deutlicher werden die negativen Folgen der industriellen Blumenproduktion im ökologischen und sozialen Bereich sichtbar: Die Vergiftung von Boden und Wasser mit Pestiziden und der hohe Wasserverbrauch gefährden die Trinkwasserversorgung ganzer Regionen. Nicht existenzsichernde Löhne, Arbeitsstress, Gesundheitsgefährdung, Überstundenarbeit und ungenügende Sozialstrukturen belasten vor allem die in den Blumenplantagen arbeitenden Frauen. Auf diesem Hintergrund wurde 1995 in der Schweiz die Idee eines Blumen-Labels lanciert, das den menschen- und umweltgerechten Blumenanbau, die Einhaltung der Menschenrechte und der internationalen Arbeits- und Sozialstandards (ILO) und eine unabhängige Kontrolle garantieren soll

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Blumen, Schönheiten und Wunder der Natur, aber auch Ausdruck und Symbol für menschliche Zuneigung und Sympathie, sind zu einem Industrieprodukt geworden, das mit grossem Technologie- und Pestizideinsatz heute in vielen Billiglohnländern des Südens angebaut und zu uns nach Europa und USA exportiert wird.

Holland dominiert das Blumen-Weltgeschäft von 50 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr und bestimmt über die holländischen Blumenbörsen weitgehend die Grosshandelspreise. Das Schnittblumengeschäft ist aber auch für viele Länder des Südens zu einem interessanten Export-Business und Devisenbringer geworden. Über 50 Produzentenländer im Süden, an der Spitze Kolumbien und Kenia, wollen am überdurchschnittlichen Wachstum und den interessanten Margen der Blumenbranche teilhaben. Die zunehmende Tendenz der Verlagerung der Blumenproduktion vom Norden in den Süden wird auch durch ökonomische und klimatologische Faktoren begünstigt und bringt den Produzentenländern neue Arbeitsplätze, Produktions-Know-how und dringend benötigte Devisen.

Die Kehrseite: In Kolumbien zum Beispiel arbeiten in den über 400 Blumenbetrieben rund 75'000 Arbeiterinnen und Arbeiter (65% Frauen) unter teilweise skandalösen Bedingungen. Bei einer 48-Stunden-Woche zahlen die Unternehmer kaum mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von ca. 150.- Franken pro Monat, der durch Temporärfirmen noch unterboten wird und bei weitem für den Lebensunterhalt nicht ausreicht. Häufig werden Überstunden verordnet, aber nicht bezahlt. Durch Kurzzeitverträge und Temporärarbeit werden die gesetzlichen Sozialleistungen umgangen. Freie Gewerkschaften werden nicht geduldet. Wer reklamiert oder sich organisiert, wird entlassen. Ähnliche soziale Missstände sind auch in den Blumenbetrieben Kenias, Ecuadors, Indiens und anderer Länder des Südens anzutreffen.

Blumen, die krank machen

Die Gesundheitsgefährdung der Blumenarbeiter/-innen in den Gewächshäusern des Südens ist extrem hoch. In den Nelken- und Rosenbetrieben Kolumbiens und Kenias werden für das makellose Aussehen der Blumen rund 150 kg hochgiftige und zum Teil karzinogene Pestizid-Wirkstoffe pro Hektar und Jahr eingesetzt, die aus der Küche der Pestizidmultis Europas und der USA stammen. Vor dem Sprühregen und dem Kontakt mit Giften wie Dichlorvos, Endosulfan, Methomil, Carbofuran, Chlorothalonil, Benomyl, Captan und vielen anderen Insektiziden und Fungiziden sind die Arbeiterlnnen in den Plastik-Gewächshäusern kaum geschützt, weil viele Betriebe die erforderlichen Wartefristen vor dem Wiederbetreten (d.h. 12 oder 24 Stunden, je nach Toxizität des eingesetzten Pestizids) nicht einhalten.

Akute Vergiftungen, Schwindelanfälle, Erbrechen, Allergien und chronische Langzeitfolgen ruinieren die Gesundheit vieler Blumenarbeiter/-innen. Oft werden sie dann entlassen. Trotz umfassenden Arbeitsgesetzen ist der Schutz der Blumenarbeiter/-innen wegen fehlender behördlicher Kontrollen nicht gewährleistet. Ebenso eklatant ist das Problem der Verschmutzung und der übermässigen Nutzung der Wasserressourcen. In der Sabana von Bogotá fliessen ungereinigte pestizidhaltige Abwässer in Bächen und Flüssen quer durch Wohngebiete. Durch den hohen Wasserbedarf der Blumenplantagen sinkt der Grundwasserspiegel drastisch, so dass viele Gemeinden zu wenig oder kein sauberes Trinkwasser mehr haben. Auch viele Campesinos können ihre Felder nicht mehr bebauen, weil die Brunnen trocken liegen.

Max Havelaar-Blumen - bald eine Realität

In einer breit angelegten Stand- und Strassenaktion informierte die „Blumenkoordination Schweiz“ 1990 die Öffentlichkeit in der Schweiz über die Missstände in der Blumenproduktion. Ähnliche Informationskampagnen gab es auch in Deutschland, Österreich, England und Holland. Der Druck auf den Blumengrosshandel und die Produzenten nahm zu; vielerorts zeigte man sich für unsere Forderungen offen.

Die Idee eines Blumen-Labels, das den menschen- und umweltgerechten Anbau, die Einhaltung der Menschenrechte und der internationalen Arbeits- und Sozialstandards (ILO) und eine unabhängige Kontrolle garantiert, wurde von uns in der Blumenkampagne CH-95 lanciert. Der Vorschlag fand beim Blumenhandel und bei den Konsument/-innen in der Schweiz eine gute Aufnahme. Im Februar 1996 wurde die Arbeitsgruppe Blumen-Label gebildet, in der Vertreter des Blumenhandels und der Blumenkoordination Schweiz Kriterien für den menschen- und umweltgerechten Anbau erarbeiteten. Ziel ist es, in einer ersten Phase mit ausgewählten Produzenten in Kenia, Zimbabwe, Kolumbien und Ecuador zusammenzuarbeiten, die bereit sind, die Kriterien zu erfüllen.

Der Anforderungskatalog für das Blumen-Label umfasst 56 Kriterien mit 25 Grundforderungen mit folgenden Zielsetzungen:

1. Arbeitsbereich: Einhaltung der grundlegenden Menschenrechte und der internationalen Arbeits- und Sozialstandards (ILO)
2. Sozialbereich: Umfassende Sozialleistungen und Versicherungsschutz und Förderung der Beschäftigten, insbesondere der Frauen
3. Gesundheit und Sicherheit: Schutz vor akuten und langfristigen Gesundheitsschäden und ein Verbot hochtoxischer Pestizide
4. Ökologie: Umweltverträgliche Produktion und schonender Umgang mit sämtlichen Ressourcen

Der Kriterienkatalog wurde im April 1997 an 110 Organisationen zur Vernehmlassung geschickt. Das Echo war durchwegs positiv. Auch Produzentengruppen im Süden zeigten sich interessiert, da ähnliche Initiativen zurzeit in der Blumenbranche diskutiert werden. Konkret planen die Grossverteiler und der Blumenhandel, ab Herbst 1998 in den Schweizer Läden menschen- und umweltgerecht produzierte Blumen mit dem Max-Havelaar-Label anzubieten. Auch in Deutschland und anderen Ländern Europas finden diesbezügliche Abklärungen statt.

Erste konkrete Schritte zur Verbesserung der Situation der Blumenarbeiter/-innen im Süden, die hoffentlich etwas auslösen werden!

*Hans Z'graggen ist Mitglied der Blumenkoordination Schweiz und der Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien. Ausführliche Informationen zur Blumenkampagne finden sich in der Zeitung „Blick auf Blumen“, zu bestellen bei: Blumenkoordination Schweiz, Postfach 100, 4007 Basel. Tel. 061 691 44 66, Fax 061 693 22 32