“Sie erzählten, was ihnen alles alleine gelungen war...”

Geben und nehmen im Austausch mit einheimischen Fachkräften

Von Brigitte Signer Pfenninger

Wie können motivierte einheimische Gesundheits-Fachfrauen durch einen “Gast” aus der Schweiz ernstgenommen und gefördert werden? Der Erfahrungsbericht aus dem Norden Namibias beschreibt eine klassische Situation der personellen Gesundheitszusammenarbeit.

Lesezeit 3 min.

Namibia mit seinen nur etwa 1.8 Millionen EinwohnerInnen gehört zu den Ländern mit der höchsten Prävalenzrate für HIV: 20 Prozent der Bevölkerung ist HIV-positiv. Aufgrund dieser dramatischen Situation wurde an der Bischofskonferenz im Februar 1998 die Catholic AIDS Action (CAA) gegründet. Ihre Ziele umfassen neben der Prävention und der Betreuung, Anleitung und Begleitung von HIV/Aidskranken und deren Angehörige zu Hause auch die Betreuung und soziale Integration von Waisenkindern.

Meine Aufgabe während meines dreijährigen Aufenthalts als INTERTEAM-Fachfrau im Norden Namibias bestand darin, in Oshikuku die Ziele der Catholic AIDS Action zusammen mit der einheimischen Benediktinerschwester Petronella Shetunyenga in die Tat umzusetzen. Aus familiären Gründen arbeitete ich mit einem Pensum von 50 Stellenprozenten.

Was habe ich in Oshikuku angetroffen? Sr. Petronella, die ihre Arbeit mit CAA in Oshikuku bereits im August 1998 begonnen hatte, hatte seither schon beachtliche Aufbauarbeit geleistet. Schnell realisierte ich, das sie als einheimische Person mit fliessenden Kenntnissen der Lokalsprache und des kulturellen Hintergrundes einen unersetzbaren Wert darstellt, dass sie aber in der ganzen Administration und Planung der Arbeit überfordert war. Hier setzte ich ein.

Über Monate habe ich nur beobachtet und versucht herauszufinden, wie Sr. Petronella ihre Arbeit aufgebaut hatte, wer sie ist, welche Ressourcen sie hat. Ich habe ihr die Gelegenheit gegeben, mich kennen zu lernen, und habe selber auch vieles über die Leute, die Kultur und die örtlichen Gegebenheiten erfahren. Zuhause habe ich meine Beobachtungen und Eindrücke notiert und mir mögliche Strategien überlegt.

Zwei Dinge vor Augen

Da ich als “mitausreisende Ehepartnerin” meines als Bauspengler / Sanitärinstallateur tätigen Ehemannes keinen durch den Schweizerischen Verband für personelle Entwicklungszusammenarbeit Unité finanzierten Vertrag hatte, wusste ich, dass nach meiner Einsatzzeit von drei Jahren wahrscheinlich keine Nachfolge von INTERTEAM für mich gestellt werden konnte. So hatte ich immer zwei Dinge vor Augen:

  1. Meine Arbeit musste immer zusammen mit Sr. Petronella besprochen und ihren und den aus dem Umfeld bezogenen Ressourcen entsprechend einfach und praxisbezogen sein.

  2. Ich musste mich von Anfang an ersetzbar machen.

Dies tönt einfacher, als es ist. So setzte ich von Anfang an Prioritäten. Ich hatte hundert Ideen, doch lernte ich, das Wesentliche heraus zu picken, ein Ziel zu verfolgen und, wenn es erreicht war, ein neues festzulegen. Dabei folgte ich dem Motto “weniger ist mehr”.

“Learning by doing”

Ziele unter Einbezug der vorhandenen Ressourcen umzusetzen und ein Vertrauensverhältnis zu schaffen sind sicher elementare Voraussetzungen für das Gelingen eines Entwicklungsprojektes. Meine Teilzeitanstellung zwang mich von Anfang an, meine Arbeit mit meinen einheimischen Kolleginnen gut abzusprechen. Da ich in den Schulferien nie arbeitete, wurde ich schon früh gezwungen, mich ersetzbar zu machen. Bei meiner Rückkehr aus den Ferien besprachen wir die vergangene Zeit, und ich erhielt jeweils ein Feedback darüber, wo meine Mitarbeiterinnen standen, wo sie weitere Unterstützung brauchten und, das Wichtigste, was alleine gelungen war. Für alle diese Bereiche gab ich sogleich die Hauptverantwortung an eine Mitarbeiterin ab und stand nur noch beratend zur Seite. Dies wiederum stärkte ihr Selbstvertrauen und motivierte sie in ihrer Arbeit. Zudem förderte es ihre Kompetenzen. Je mehr Vertrauen ich in meine mittlerweile zwei Mitarbeiterinnen hatte, desto kompetenter übten sie ihre Arbeit aus.

Schwierigkeiten überwinden

Die Catholic AIDS Action hatte bei ihrer Gründung im Jahr 1998 gut formulierte Ziele, doch ich merkte schnell, dass es einige Jahre benötigen würde, damit diese Ziele Fuss fassen konnten. Im Owamboland sind die Mehrheit der Freiwilligen Frauen zwischen 26 und 60 Jahren, viele davon Analphabetinnen. Selbst in die Lokalsprache übersetze Dokumente mussten mit grossem Aufwand und viel Geduld mündlich in ihrer Sprache besprochen werden.

Zuweilen erschien die Situation auch beinahe aussichtslos. Laut Statistik ist jede fünfte Person in Namibia HIV-positiv, doch Ende 2002 zeigte die Realität, dass jede dritte Person infiziert ist. Dies wiederum heisst, dass vor allem im Gesundheitswesen tätiges Personal, Krankenschwestern, Hilfspersonal selber infiziert ist, bereits Aids hat oder daran gestorben ist.

Die rasante Zunahme von Waisen fordert die heutigen (ab 38-jährigen!!) Grossmütter ungemein. Was ist, wenn diese sterben und die nächste Generation ausbleibt?

Die Not war schliesslich so gross, dass meine Mitarbeiterinnen und die Freiwilligen lernen mussten, sich abzugrenzen um sich zu schützen.

Dennoch haben wir in den drei Jahren einiges erreicht:

  • 213 Freiwillige der Catholic AIDS Action haben ihr Training in home based family care abgeschlossen. Sie arbeiten in 15 verschiedenen Gruppen. Jede Gruppe hat ihre Struktur mit Kompetenzbereichen. Die Freiwilligen sind motiviert.

  • Jede der 15 Gruppen wird monatlich durch Mitarbeiterinnen der Catholic AIDS Action besucht, beraten und unterstützt.

  • Alle Freiwilligen zusammen betreuen monatlich ca. 600 KlientInnen in ihren Häusern.

  • Zusammen betreuen die Freiwilligen über 3‘000 Waisenkinder. Sie organisieren Veranstaltungen, verteilen Materialien, unterstützen sie in Schulbelangen oder bei familiären Problemen.

  • Sr. Petronella, Hellena und neu Theresia bewältigen all diese umfassende Arbeit inklusive Planung inzwischen alleine.

Realistische Ziele, lokale Verankerung

Aus meinen Ausführungen ergeben sich einige Schlussfolgerungen:

Die Einführung irgendwelcher Projekte durch nationale oder internationale Organisationen braucht Zeit und viel Geduld, Oft fehlen klare Strukturen oder Hilfestellungen.

Es ist deshalb wichtig, realistische und nicht zu hohe Ziele festzulegen, unter Einbezug der vorhandenen Ressourcen der Bevölkerung und der lokalen Gegebenheiten. Sind Ressourcen erkannt und sinnvoll genutzt, bilden sie die Basis für ein nachhaltiges Weiterbestehen.

Von Anfang an gilt es, lokale Leute einzubeziehen. Sie vertreten ihre Sache, stehen dahinter und sind motiviert, eine von ihren “Gästen” aus dem Norden eingeführte oder begleitete Arbeit auch weiter zu führen, wenn die Gäste wieder nach Hause gekehrt sind.

* Brigitte Signer Pfenninger ist Krankenschwester und Berufsschullehrerin für Pflege. Von September 1999 bis Dezember 2002 arbeitete und lebte sie mit ihrem Ehepartner und ihren drei Kindern als INTERTEAM-Fachkraft in Oshikuku im Norden von Namibia in Oshikuku. Kontakt: hafeni@bluewin.ch