3. High Level Forum in Accra

Bürgerinnen und Bürger sollen an der Entwicklung des Landes teilhaben

Von Franziska Freiburghaus

Im September fand das 3. High Level Forum on Aid Effectiveness in Accra statt. Vertre-terInnen von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen haben über Grundsätze diskutiert, welche die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit verbessern sollen. Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit sieht in der verabschiedeten „Acc-ra Agenda for Action“ ein gutes Mittel, um die eigenen Ansätze einzubringen.

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Zu der Frage wie Entwicklungszusammenarbeit (EZA) am wirkungsvollsten gestaltet werden soll gibt es unzählige und sehr unterschiedliche Meinungen. Diese Vielfalt zeigt aber auch, dass es für Wirk-samkeit kein für alle Kontexte anwendbares „one size fits all“ Patentrezept gibt. Was es aber gibt sind Grundsätze der Zusammenarbeit, die auf gegenseitigem Respekt, Transparenz, Partizipation und der Einhaltung von Menschenrechten beruhen. „Diese Grundsätze stehen für uns klar im Zentrum.“ meint Edita Vokral, Vizedirektorin, Regionale Kooperation der DEZA, zu diesen Grundsätzen.

Um Grundsätze und Wirksamkeit in der EZA ging es auch beim Treffen, das vom 2.-4. September in Accra mit gegen 1200 Ministern, Diplomaten und Vertretern von Hilfsorganisationen, stattgefunden hat. Zu dieser 3. Konferenz zur Wirksamkeit der EZA hatten die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und Ghana eingeladen. Ziel war, mit allen Akteuren der EZA gemeinsam Zwischenbilanz der bereits 2005 in Paris verabschiedeten Grundsätze in der EZA zu ziehen (sog. Paris Declaration). Damals vereinbarten Geber- und Nehmerländer mehr Eigenverant-wortung, grössere Partnerausrichtung, bessere Geberkoordinierung, ergebnisorientierteres Wirken und eine gegenseitige Rechenschaftspflicht. Diese Prinzipien sollten zu einer Wirksamkeitssteigerung der EZA beitragen und damit einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Milleniumsziele der Ver-einten Nationen leisten. Und sie sollten bis 2010 erreicht werden.

2'400 Quartalsberichte pro Jahr

Aber weshalb jetzt gerade diese Konferenz und warum diesmal mit einer starken Involvierung von Nichtregierungsorganisationen (NROs)? Als die Welt im Jahr 2000 die Milleniumsentwicklungsziele verabschiedet hat, wusste sie nicht, wie diese Ziele erreicht werden sollten. Der Konsens von Mon-terrey im Jahr 2002 hat konkrete Vorschläge zur Entwicklungsfinanzierung gebracht, die in Doha im November 2008 wieder aufgegriffen und ausgehandelt werden; die Paris Declaration stellte sinnvolle Leitlinien zur Gestaltung der Zusammenarbeit auf. Denn eines der Hauptprobleme der EZA war und ist die Fragmentierung der Hilfe. Zu viele EZA Agenturen finanzieren zu viele kleine Projekte, die alle eigene Prozeduren haben. Vietnam beispielsweise empfängt täglich drei offizielle Geberdelegationen. In Tanzania schreiben völlig überlastete Beamte 2´400 Quartalsberichte pro Jahr. Angestellte im öf-fentlichen Gesundheitswesen kommen oft erst am späten Nachmittag zu ihrer eigentlichen Arbeit am Patienten, weil sie tagsüber mit Projektbesuchern diskutieren oder ihnen Resultate zeigen (müssen). Die PARIS DECLARATION hat zum Ziel solche Parallelsysteme drastisch zu senken. 2008 ist Halb-zeit auf diesem Weg. Ein Survey des OECD/DAC (Development Assistance Committee) Ende 2007, der als Monitoringinstrument der Umsetzung der Paris Declaration kreiert wurde, zeigte für prak-tisch alle Länder und alle Indikatoren ernüchternde Resultate. Am HLF-3 in Accra ging es deshalb vor allem um eine politische Bestätigung des Engagements und die Schaffung von Glaubwürdigkeit durch konkrete Vorschläge.

Die Zivilgesellschaft ihrerseits hat einen legitimen Anspruch, dass beispielsweise die Rechenschafts-pflicht der Geber- und Nehmerländer nicht eine Sache unter hohen Regierungsvertretern bleibt. Die BürgerInnen wollen informiert werden, wie viel Geld für was und wie ausgegeben und welche Wir-kung erzielt wird. Es ist inzwischen allen Akteuren klar, dass die Umsetzung der Prinzipien der Paris Declaration nur mit einem inklusiven Ansatz funktioniert.

Dezentralisierung und Machtverschiebung

Die Schweiz wurde in Accra vom DEZA Direktor Martin Dahinden und Direktionsmitgliedern von DEZA und seco vertreten. Denn die Umsetzung der Ziele der Paris Deklaration ist für die Schweiz wichtig. Dabei nutzt die Schweiz deren Potential in einer konstruktiv-kritischen Art, um die DEZA Werte umzusetzen. Im Vordergrund stehen die Stärkung und die Kompetenzbildung von Verwaltung, ParlamentarierInnen und der Zivilgesellschaft im Partnerland für ein resultateorientiertes Manage-ment und für mehr Eigenverantwortung. Dezentralisierung und damit einhergehend eine Machtver-schiebung vom Zentralstaat zu lokalen Strukturen ist ein weiteres wichtiges Anliegen der DEZA. Gleichzeitig sieht sie in der Umsetzung der Prinzipien der Paris Declaration eine grosse Chance für sich als kleiner Geber. In harmonisierten Gebergremien geht es nicht mehr nur um die Macht des (vielen) Geldes, sondern um Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Fairness und Transparenz. Die Schweiz kann diese Grundlagen in praktisch allen Kontexten bieten und damit die so genannte „Swissness“ einbringen.

Das konkrete Resultat von Accra war die Verabschiedung der Accra-Erklärung („Accra Agenda for Action“ AAA). Die AAA ist eine Weiterführung bzw. Konkretisierung der Paris Declaration. Alle an-wesenden Staaten haben die AAA angenommen und sich damit verpflichtet Entwicklungsländer stär-ker als Partner zu behandeln und deren Eigenverantwortung zu stärken. Auch die Schweiz nahm die AAA an.

Eigenverantwortung als Prozess

Inhaltlich wurde mit der AAA viel erreicht. Man konnte sich darauf einigen, dass sich die Geberländer verpflichten die Zuverlässigkeit von Finanzierungsversprechungen zu verbessern, die Systeme von Partnerländern besser zu nutzen und die Arbeitsteilung unter Gebern ernsthaft anzugehen. An neun „Runden Tischen“ zu vorgegebenen Themen entlang der Prinzipien der Paris Declaration wurden Ergänzungen zu einem früheren Entwurf der AAA erarbeitet. Die Schweiz hatte zusammen mit Ko-lumbien den Vorsitz eines der neun Tische. Thema war das Prinzip Eigenverantwortung („democratic ownership“). Eigenverantwortung ist ein Prozess und keine Voraussetzung, darin waren sich die Teil-nehmerInnen einig. In diesen Prozess gehört die Ausdehnung der Eigenverantwortung auf alle – also auf ParlamentarierInnen, NROs und Privatsektor eines Landes. Notwendige Schritte in diesem Pro-zess zu demokratischer Eigenverantwortung sind Qualitätssteigerungen in Institutionen, Politiken und die Verbesserung der Kompetenzen der Menschen. Edita Vokral, Vorsitzende im Namen der Schweiz dieses Runden Tisches meint: „Zentral für uns ist, dass die Bürgerinnen und Bürger der Länder, die wir unterstützen – sei es direkt oder über die Institutionen, die sie vertreten – an der Willensbildung über die Zukunft und die Entwicklung ihres Landes teilhaben können. Dazu müssen sie sich auch die nötigen Fähigkei-ten und Kenntnisse aneignen können; Kapazitätsentwicklung ist also eines unserer wichtigsten Ziele.“

Korruptionsbekämpfung und Transparenz

Eine weitere wichtige gegenseitige Abmachung von Accra gilt dem Kampf der Korruption. Verbesser-te Transparenz und nachvollziehbare, mit örtlichen Strukturen erarbeiteter Einsatz von Geber- und Nehmermitteln, soll diese Abmachung in ihrer Umsetzung unterstützen. Fruchtbare Ergebnisse wur-den auch am Runden Tisch zu Diskussionen um Wirksamkeit in fragilen Staaten erzielt. Auch an die-sem Tisch war die Schweiz mit Jörg Frieden, Vizedirektor, Globale Kooperation der DEZA, aktiv be-teiligt. Die Erfahrungen der Schweiz aus dem Kontext Nepal wurden von den Teilnehmenden sehr geschätzt.

Auch haben sich die DEZA, das Schweizerische Tropeninstitut und Schweizer NGOs (über Medicus Mundi Schweiz) im Vorfeld von Accra engagiert und mit viel Fachwissen relevante Beiträge zu Ge-sundheits-SWAps (Sector Wide Approach Programmes) geliefert, die von den Verantwortlichen des runden Tisches zum Thema „sectoral approaches“ sehr geschätzt und mehrheitlich aufgenommen wurden.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Erwartungen an das HLF-3 und die AAA grössten-teils erfüllt wurden. NROs und weitere Akteure der Zivilgesellschaft haben in Accra viel Terrain zu-rückgewonnen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen. Zum Beispiel, dass die AAA asymmetrische Verhandlungsbedingungen fördert. Aber auch, dass in Accra eine weitere Chance zu einem wirkli-chen Dialog mit Partnerländern nicht wahrgenommen wurde. Nicht alle waren zudem wirklich über-zeugt von der Art und Weise der „Verabschiedung“ der AAA. „Der Erfolg der AAA wird sich in der Umsetzung zeigen. Die Schweiz hat gute Chancen, auch in diesem sich verändernden Umfeld, ihre Visibilität zu wahren, in dem sie konsequent ihre Kompetenzen und Erfahrungen nutzt, in Gebieten wie: partizipative Ansätze, Dezentralisierung, Befähigung. Andere Geber haben Interesse an einer Zu-sammenarbeit mit der Schweiz im Rahmen von „Paris“ und „Accra“ signalisiert, vor allem im Hinblick auf das Thema „country ownership“, so das Fazit zu Accra und der AAA von Edita Vokral.

*Franziska Freiburghaus, Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit, Abteilung südliches und östliches Afrika/ Advisor Health PhD. Kontakt: franziska.freiburghaus@deza.admin.ch