Erkenntnisse aus einem schweizerischen ‚Brennpunktquartier’

Gesundheit im Kontext nachhaltiger Quartierentwicklung

Von Barbara Schürch

In benachteiligten städtischen Gebieten beeinträchtigen vielfältige Defizite die Lebensqualität und die Gesundheit der Bewohner/innen. Nachhaltige Stadt- und Quartierentwicklung, die auf einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen Stadtverwaltung und Quartierakteuren aufbaut und die im Quartier vorhandenes soziales Kapital zielgerichtet bündelt, vermag auch in Stadtteilen mit komplexen Problemlagen positive Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen. Benachteiligte Quartiere mit einem hohen Anteil an Bewohner/innen in schwierigen Lebenslagen schaffen es nur über die Vernetzung der verschiedenen Interessengruppen im Quartier (überbrückendes Sozialkapital) sich bei den Behörden Gehör für ihre Anliegen zu verschaffen. Die Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus einem Forschungsprojekt in Schweizer-Quartieren auf den Süd-Kontext gilt es noch zu prüfen.

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Gemäss UNO Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung hängt die Zukunft der Menschheit von deren Fähigkeit ab, bisher isolierte ökologische, ökonomische und soziale Handlungsstrategien in Bezug zueinander zu setzen. Nachhaltigkeit ist ein Konstrukt in dem sich das Wünschbare und politisch Gewünschte ausdrückt. Einen absoluten Bezugsrahmen von Nachhaltigkeit gibt es bis heute nicht.

Nachhaltige Stadt- und Quartierentwicklung

Auf internationaler Ebene sind die Vorstellungen über eine nachhaltige Stadtentwicklung sehr divergent. Zu unterschiedlich vollziehen sich städtische Entwicklungsprozesse in Industrie-, Transformations- und Entwicklungsländern. So wird im Weltbericht über die Zukunft der Städte, der Abschlusserklärung von URBAN 21, ganz allgemein von "Dimensionen" einer nachhaltigen Stadtentwicklung gesprochen wobei die Dimensionen daraus abgeleitet sind, "was sich die Menschen seit jeher wünschen" (Hall/Pfeiffer, 2000a).

Dimension Schlüsselbegriffe Beschreibung im Orginaltext
Arbeit Arbeitsplatz, Einkommen

Arbeitsplatz, der ein ausreichendes Einkommen und ein Leben ohne Armut ermöglicht
Einbindung in Gesellschaft Soziale Netze, Werte, Tradition Leben in einer ganzheitlichen Gesellschaft mit fest geknüpften sozialen Netzen ,die trotz Anerkennung traditioneller Werte und Pflege ihrer Verbindungen zur Vergangenheit bereit ist, sich neuen Gegenheiten anzupassen.
Einklang mit Natur   Existenz im Einklang mit der Natur
Mobilität   Angemessene Mobilität zum Erreichen des Arbeitsplatzes, von Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Freizeiteinrichtungen und Freunden
Bürgerpflichten   Wahrnehmung von Bürgerpflichten im Rahmen eines politischen Systems, das Interessen und Werte ausgewogen vertritt
Staatliche Leistungen Grundbedürfnisse Angemessene Versorgung mit staatlichen Leistungen von Abwasserbeseitigung bis Schulwesen unter Berücksichtigung der Grundbedürfnisse aller Einwohner einer Stadt
Wohnumfeld   Leben in einem Wohnumfeld, das sowohl traditionellen Werten verpflichtet ist, als auch zeitgemässen Notwendigkeiten im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Lebensweise

 

Nachhaltigkeit kann nicht von oben verordnet werden; die Bevölkerung als Träger nachhaltiger Entwicklung muss bereits auf Quartierebene einbezogen werden. Damit ist eine generelle Aufwertung des Sozialen und Lokalen in der Stadtplanung gefordert. Mit dem Einbezug des Sozialen in die Planung geht einher, dass es bei Nachhaltigkeitsprozessen nicht nur um „better“, „quicker“ und „faster“, sondern auch um „angepasster“ und „von der Bevölkerung getragen“ geht. Dem Prozess des Aushandelns ist besondere Bedeutung beizumessen. Er ist Mittel und Ziel in einem (societal vision is a management challenge). Und er ermöglicht, bei der Bevölkerung vorhandenes Wissen einzubinden. Hierzu stellt das soziale Kapital einen der zentralen Anknüpfungspunkte dar (auch wenn das Konzept des sozialen Kapitals kontrovers diskutiert wird, siehe z.B. Kessl/Otto 2004; Mayer 2001), denn es schreibt der Zivilgesellschaft zu, bei einer adäquaten Unterstützung durch die Politik im überschaubaren Raum des Quartiers auf Herausforderungen moderner Gesellschaften Antworten zu finden. Träger unterschiedlichen sozialen Kapitals (Immobilienbesitzer, Investoren, Schulen, Jugendgruppen, Migrationsorganisationen etc.) sollen zusammengebracht werden (überbrückendes Sozialkapital). Dieses Kapital ist zentral, wenn es um Nachhaltigkeitsziele – die ja auch Themen- und Sozialgruppen übergreifend sind – geht.

Der Nutzen des Sozialen Kapitals

Im Rahmen unseres Forschungsprojektes zum Thema ‚Der Nutzen des sozialen Kapitals bei der nachhaltigen Quartierentwicklung’ (Drilling, Page, Schürch, NFP 54) wurde in verschiedenen Quartieren in der Schweiz untersucht, welche Faktoren die Konstitution von sozialem Kapital begünstigen und wie ein Prozess zum Aufbau und zur Inwertsetzung des sozialen Kapitals hinsichtlich einer nachhaltigen Quartierentwicklung unterstützt und gefördert werden kann. Dabei differenzieren wir in verschiedene Formen sozialen Kapitals (s. Abbildung 1; Bourdieu, 1983; Bourdieu, 1991; Coleman, 1988; Braun, 2001; Putnam 2000b): Stand in den bisherigen Forschungen zum Sozialkapital insbesondere der Aufbau von Strukturen gemeinsamer Interessen im Vordergrund (z.B.Vereine, Interessengruppen, Arbeitsgemeinschaften = „verbindendes soziales Kapital“ oder „bonding social capital“ oder "Vitamin B"), fokussiert unser Forschungsprojekt auch auf Massnahmen, die versuchen, die jeweiligen Interessen für gemeinsame Zielsetzungen zu verbinden („überbrückendes Sozialkapital“ oder „bridging social capital“), etwa durch Vereinsgemeinschaften, Foren oder eine ‚ad hoc Organisation’ wie sie für das Quartieraufwertungsprojekt ‚BaBeL’, auf das im folgenden eingegangen wird, entwickelt wurde.

Für eine nachhaltige Quartierentwicklung sollte sich die Förderung nicht alleine auf solches soziales Kapital konzentrieren, das gleichartige Interessen verbindet, sondern eben auch darauf, die unterschiedlichen Träger des verbindenden sozialen Kapitals zu überbrückendem sozialen Kapital zu vernetzen. Nach Putnam hat das „überbrückende Sozialkapital“ den Charakter eines „generalisierten Vertrauens“ und die Eigenschaft eines Kollektivgutes. Der „Besitz“ des „überbrückenden Sozialkapitals“ ist, unabhängig von den einzelnen Akteuren, auf das System, in dem die Individuen leben, übergegangen und so entsteht Kapital auch nicht unmittelbar durch individuelle Bemühungen. Vom überbrückenden Sozialkapital profitieren alle Akteure eines Netzwerkes, auch diejenigen, die in das Kapital nicht investiert haben, „es ermöglicht die Verwirklichung bestimmter Ziele, die ohne es nicht zu verwirklichen wären“.

„BaBeL“ ein integraler Quartieraufwertungsprozess

Für die Klärung unsere Forschungsfragen untersuchten wir verschiedene Fallbeispiele unter anderem das integrale Quartieraufwertungsprojekt BaBeL in Luzern. Anhand dieses Projektes kann exemplarisch die Bedeutung der Vernetzung für eine ganzheitliche Quartierentwicklung und nicht zuletzt auch hinsichtlich der Gesundheitsförderung aufgezeigt werden. Das über Jahrzehnte vernachlässigte Quartier schaffte es über die Vernetzung der Quartierakteure und der verschiedenen Interessengruppen sich bei der Verwaltung Gehör zu verschaffen und eine Lobby für ihre Anliegen aufzubauen. Ebenso von Bedeutung ist die Vernetzung zwischen Quartier und städtischer Verwaltung.

Das Projektgebiet, das Quartier Basel-/ Bernstrasse, ist geprägt durch eine internationale Wohnbevölkerung aus rund 70 Nationen und trägt alle Merkmale eines Stadtteils mit besonderem Entwicklungsbedarf (Brennpunktquartier). Kein anderes Quartier der Stadt weist einen vergleichbar hohen Anteil an Migrationsbevölkerung und Kindern aus. Das Quartier erfüllt die Funktion einer Eingangspforte und eines Auffangbeckens. In der Geschichte war das Quartier immer wieder Zuweisungsort für Funktionen, die in der Kernstadt nicht erwünscht waren. Diese Tradition führte zu einer kontinuierlichen Problematisierung und Abwertung des Quartiers. Gewalttätigkeiten und Drogenhandel, das Sexgewerbe, starke Verkehrs- und Lärmbelastung und wenig öffentliche Aussenräume beeinträchtigen die Lebensqualität massiv. Eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Menschen in schwierigen Lebenslagen führt zu einer Eigendynamik, welche den negativen Ruf des Quartiers anhaltend mit beeinflusst. Wer den sozialen Aufstieg schafft, verlässt das Quartier. Die freiwerdenden Wohnungen werden von Zuzügern besetzt, die keinen Zugang zum allgemeinen Wohnungsmarkt haben. Die schlechten Vermietungsperspektiven führten zu einer anhaltenden Vernachlässigung der Liegenschaften durch die Eigentümer/innen. Allerdings bietet das Quartier auch Nischen für Kleingewerbe und Kreativbetriebe. Vor allem sind aber im Quartier engagierte Einzelpersonen und Organisationen aktiv, auf deren Ressourcen das Projekt BaBeL aufbauen konnte.

Als sich die Negativspirale im Quartier immer schneller zu drehen begann und die Lage sich zuspitzte, initiierten im Jahre 2003 die Stadtverwaltung und die Fachhochschule Zentralschweiz gemeinsam den integralen Quartieraufwertungsprozess BaBeL.( Schürch/Sartoris, 2007; Willener, 2006)

Zu Beginn stand eine Kontextanalyse, die neben quantitativen auch qualitative Methoden der Sozialraumanalyse beinhaltete und die Bevölkerung schon zu diesem frühen Zeitpunkt aktivierend einschloss. Diese Grundlagendaten gaben Aufschluss darüber, welche Interessengruppen im Quartier ansässig sind und wo diese Bedürfnisse und Potentiale orten. Auf der Basis dieser Daten sind verschiedene Zukunftsszenarien entwickelt und im Rahmen einer Quartierkonferenz, an der alle Interessengruppen des Quartiers, wie auch die Vertreter der städtischen Verwaltung zusammengeführt wurden, diskutiert worden. Dieser Prozess mündete in einem Konsensszenarium, das Massnahmen in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeitstrias (Ökonomie, Ökologie und Soziales) wie auch raumgreifende Vorhaben formulierte. Aufgrund der breiten Anlage konnten verschiedenste Partikularinteressen eingebunden und eine Bündelung der Kräfte auf ein gemeinsames Ziel hin erreicht werden. Alle wichtigen Akteure sollten das gleiche Bild der Zukunft des Quartiers im Kopf tragen und in ihrem Wirkungsfeld entsprechend handeln. Für die Formalisierung der Vernetzung zwischen Quartier und städtischer Verwaltung aber auch zwischen den verschiedenen Akteuren im Quartier wurde eine ‚ad-hoc’- Struktur initiiert. Diese umfasst verschiedene Gefässe: die Trägerschaft und Steuergruppe, bestehend aus Vertretern aus dem Quartier und der Verwaltung, verschiedene strategisch ausgerichtete Denkgruppen bzw. thematische Gruppen, die ebenfalls transdisziplinär zusammengesetzten Projektarbeitsgruppen und die Quartierkonferenz, die alle Anspruchsgruppen integrierende Plattform für Austausch, Information und Vernetzung. Eine zentrale Rolle kommt der Quartierkoordination zu, die Aufgaben der Prozessbegleitung und -förderung, der Koordination und der Vernetzung wahrnimmt und die Kontinuität des Projektes sichert. Die Interaktion und Vernetzung wird über die verschiedenen Gefässe, vor allem die Quartierkonferenz sichergestellt. Die Struktur bietet auf verschiedenen Ebenen Möglichkeiten für einen Zugang zum Netzwerk und die aktive Beteiligung.

Durch das gegenseitige sich Kennenlernen werden Anonymität und Vorurteile abgebaut und Bedürfnisse und Potentiale, aber auch die Rahmenbedingungen, werden differenzierter erkannt. Projekte und Aktivitäten können deshalb bedürfnisnah und effizienter umgesetzt werden. Über das Netzwerk wird für kleine und grosse Akteure der Zugang zur Verwaltung, zu Fachkompetenz, zu Unterstützung im Projektmanagement, in der Öffentlichkeitsarbeit und allenfalls weiteren Partnern im Quartier erleichtert. Der Verständigungsprozess zwischen den unterschiedlichen ‚Kulturen (Vereinskulturen, Fachdisziplinen, Nationalitäten und Sprachen, Quartier und Verwaltung, ehrenamtlich Tätige und Professionelle) ist jedoch zeitaufwändig und darf in der Planung nicht unterschätzt werden.

Durch das Label „BaBeL“ (eine Abkürzung für das Quartier Basel-/Bernstrasse, aber auch eine Anspielung auf den Turmbau von BaBel und die Verständigung der verschiedenen Sprachen) wurde eine gemeinsame Identität aufgebaut. Alle Entwicklungsgruppen oder Arbeitsgruppen und ihre Projekte laufen unter dem Label BaBeL, z.B. BaBeL-Santé, BaBeL-Kids, BaBeL-littering, BaBeL-Verkehr usw.

BaBeL Santé und die Gesundheitsprävention

Im Rahmen des Konsensszenariums wurden die Gesundheitsförderung und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung im Quartier als Ziel formuliert. Mit Unterstützung des Netzwerkes sind in der Folge verschiedene Ideen im Bereich Gesundheit zur Realisierung gelangt. Über einen Quartier-Gesundheitstag hat eine Gruppe von interessierten Freiwilligen und Professionellen zur Gruppe BaBeL Santé zusammengefunden. Diese hat das Bedürfnis nach Information und Beratung zu Aspekten um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft aufgenommen. Um Angebote zu lancieren, hat sie die Vernetzung mit spezialisierten Institutionen auf kantonaler und nationaler Ebene aufgenommen.

Dass BabeL als Katalysator für die Umsetzung von Ideen wirken und dazu beitragen kann, vorhandene Ressourcen zugunsten des Gemeinwesens in Wert zu setzen, zeigt ein weiteres Beispiel der Gesundheitsprävention: das vom pakistanischen Verein aufgebaute Sportangebot. Erst unter dem Dach BaBeL mit entsprechender Unterstützung konnte die lange gehegte Idee realisiert werden. Basis des Projektes war die spezifische Kompetenz, die der pakistanische Verein im Badminton-Spiel mitbrachte. Zudem wurde das Thema Gesundheit und Sport als Bedürfnis im Quartieraufwertungsprozess definiert.

Für die Realisierung brauchten die Initianten jedoch Unterstützung und Beratung im Projektmanagement und Entlastung bezüglich administrativer Angelegenheiten. Durch die Vernetzung mit BaBeL konnten sie diese Supportleistung abholen. Zudem vermittelte das Netzwerk BaBeL die Infrastruktur und Finanzen und bot ihre Kanäle für die Bewerbung des Sportangebots an (Quartieragenda, Informationstafeln, Plattformen für Information und Vernetzung usw.), weiter wurde das Projekt in die Öffentlichkeitsarbeit des Gesamtprojektes integriert und erfuhr dadurch auch Anerkennung in einer breiteren Öffentlichkeit. Bei Schwierigkeiten, etwa wenn Jugendliche Material demolieren, erfährt der pakistanische Verein eine Abstützung durch BaBel und hat allfällige Konsequenzen nicht alleine zu tragen. Das Label BaBeL ist Referenz, signalisiert die Abstützung des Angebotes und schafft die Legitimation. (Schürch 2008)

Erkenntnisse

Die Übertragbarkeit des entwickelten Modells (Drilling, Eser, Schürch, 2008) im Südkontext muss erst noch geprüft werden. Doch scheinen in Quartieren, in welchen die Bevölkerung stark absorbiert ist mit der Bewältigung ihres Lebensalltages, die Stärkung von bestehenden Strukturen, z.B. Vereinen (verbindendes Sozialkapital) von zentraler Bedeutung zu sein; ebenso gilt es die Potentiale von Individuen aktiv zu suchen und zu fördern und für das Gemeinwesen nutzbar zu machen. Die Vernetzung von Interessengruppen zu überbrückendem sozialen Kapital und die langfristige Koordination dieses Netzwerkes muss in der Regel von aussen initiiert und abgesichert werden, zum Beispiel durch die städtische Verwaltung.

Die Vernetzung der verschiedenen Akteure ist insbesondere in Quartieren, die keine Lobby haben, eine Voraussetzung dafür, um sich bei der Verwaltung und Politik Gehör zu verschaffen. Eine partnerschaftliche Kooperation der Quartierakteure mit der Verwaltung bringt beiderseits Vorteile, da durch den Austausch eine Sensibilisierung auch innerhalb der Verwaltung für Anliegen aus dem Quartier stattfindet. Für die Verwaltung eröffnet eine partnerschaftliche Quartierentwicklung Zugänge zur Quartierbevölkerung. Die Vernetzung bringt eine Erweiterung des Handlungsspielraums sowohl für die Akteure aus dem Quartier wie auch für die Verwaltung.

Die Integration der Kompetenzen der Quartierbevölkerung und des vorhandenen Sozialkapitals in ein Netzwerk mit dem Ziel einer nachhaltigen Quartierentwicklung generiert Synergien verschiedenster Art. Es entstehen neue Zusammenarbeitskonstellationen, und Projekte entwickeln sich oft zu ganzheitlichen Vorhaben, da der Zugang zu Expertise aus unterschiedlichen Bereichen einfacher ist.

Nicht nur bei Themen der Gesundheitsförderung und -prävention, ist eine Vernetzung über die Dimension Wirtschaft, Ökologie und Soziales sowie das transdisziplinäre Zusammenwirken von Bedeutung, um ganzheitliche und breit abgestützte Projekte lancieren zu können. Eine ‚ad hoc’ Struktur zur Formalisierung der Vernetzung sollte deshalb eine Vertretung aller Dimensionen der Nachhaltigkeitstrias beinhalten.

Der Prozess hin zu einem Konsensszenarium, einer gemeinsamen Vision, bildet die Basis und fördert die Solidarität unter den verschiedenen Interessengruppen eines Quartiers. Ein Logo wie ‚BaBel‘ kann identitätsstiftend und integrierend wirken.

Der Findungsprozess und Vertrauensaufbau sind langfristige Prozesse. Zudem kann die Partizipation der Bevölkerung nur erreicht werden, wenn die Projekte nahe an der Lebenswelt der Zielgruppe sind. Die Aktivierung der Zivilgesellschaft kann jedoch nicht mit einem Rückzug der Verwaltung und Politik aus ihren Verpflichtungen einhergehen. Für den langfristigen Prozess der nachhaltigen Quartieraufwertung braucht es deren kontinuierliches aktives Engagement und die Bereitschaft sich in eine partnerschaftliche Kooperation mit den Akteuren eines Quartiers einzulassen. Ehrenamtlich Engagierte können diese Kontinuität nicht sicherstellen.

Um aber ihre Motivation zu erhalten sind schnelle, sichtbare Resultate neben den langfristig angelegten Zielen notwendig. Die Wertschätzung gegenüber allen Beiträgen, die zum Ziel einer nachhaltigen Quartierentwicklung oder Verbesserung im Gesundheitsbereich beitragen, bildet die Basis.

*Barbara Schürch ist Ethnologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Sozialplanung und Stadtentwicklung der Hochschule für Soziale Arbeit in Basel. Vorher war sie mehrere Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit tätig.

Anmerkungen

Angaben zu den theoretischen Grundlagen basieren auf Drilling, M. (2006): Der Nutzen des sozialen Kapitals bei der nachhaltigen Quartierentwicklung. Theoretische Grundlagen und Forschungsdesign, Projekt ‚Der Nutzen des sozialen Kapitals bei der nachhaltigen Quartierentwicklung’ im Programm ‚Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung’ des Schweizerischen Nationalfonds NFP 54 (unveröffentlicht).

Literatur

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  • Hall, P./Pfeiffer, U. (2000b): Weltbericht für die Zukunft der Städte URBAN 21.
    Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Berlin:
    [Online] Available:
    http://www.bbr.bund.de/cln_005/nn_23566/DE/Veroeffentlichungen
    /Sonderveroeffentlichungen/2005undaelter/DL__WeltberichtURBAN21,
    templateId=raw,property=publicationFile.pdf/DL_WeltberichtURBAN21.pdf
  • Kessl, F./Otto, H.-U. (2004): Soziale Arbeit und Soziales Kapital. Zur Kritik lokaler Gemeinschaftlichkeit Wiesbaden: VS-Verlag
  • Mayer, M. (2001): Soziales Kapital und Stadtentwicklungspolitik: ein ambivalenter Diskurs.
    In: M. Haus (Hrsg.): Lokale Politik, soziales Kapital und Bürgergesellschaft.
    Opladen: Leske und Budrich. [Online] Available: http://workfare-city.lai.fu-berlin.de/index.php?id=sozkapital
  • Drilling, M., Page R., Schürch B.: Der Nutzen des sozialen Kapitals bei der nachhaltigen Quartierentwicklung. Forschungsprojekt im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms „Nachhaltige Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung“ (NFP 54) des Schweizerischen Nationalfonds, 2005-2008
  • Bourdieu, P. (1983): Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital.
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  • Bourdieu, P. (1991): Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: M. Wentz (Hrsg.): Stadt-Räume. Frankfurt: Campus, 25-34
  • Coleman, J. S. (1988): Social Capital in the Creation of Human Capital. In: American Journal of Sociology, 94 (Supplement), 95-120
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    Denken, Handeln, Gestalten. Neue Perspektiven für Wirtschaft und Gesellschaft.
    Ein Symposium der DG Bank. Frankfurt a.M.: Edition Politeia, 77-97
  • Schürch, B. and A. Sartoris (2007): Quartierprofil Basel-/Bernstrasse (Luzern). Nationales Forschungsprojekt "Soziales Kapital und Nachhaltige Quartierentwicklung" NFP 54. [On-line] Available: http://www.sozialestadtentwicklung.ch/documents/luzern%20_basel-bernstrasse.pdf
  • Willener A. (2006): Projekt BaBeL, nachhaltige Quartierentwicklung Basel-/Bernstrasse Luzern, HSA Luzern, Urban and community development in Europe, Luzern
  • Schürch, B. (2008): Mit integrierenden Konzepten zur nachhaltigen Quartierentwicklung. Das Projekt ‚Nach-haltige Quartierentwicklung ‚BaBeL’ Basel-/Bernstrasse in Luzern’. Nationales Forschungsprojekt „Soziales Kapital und nachhaltige Quartierentwicklung, NFP54“.
    http://www.soziale-stadtentwicklung.ch
  • Drilling M., Eser M., Schürch B. (2008): Nachhaltige Quartierentwicklung unter Berücksichtigung des lokalen sozialen Kapitals realisieren. Anleitung zur Planung komplexer Prozesse in der nachhaltigen Quartierentwicklung.(Arbeitstitel)