Geschichten aus dem Tschad (2)

Unfruchtbarkeit, Verzweiflung und Resignation durch chronische Gonorrhöe

Von Frank Krönke

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Kinder spielen in der sozio-ökonomischen Organisation des Lebens der Nomaden eine wichtige Rolle. Durch die sie wird der Name des Vaters an die nächste Generation weitergegeben und hat auf diese Weise teil an der Unendlichkeit des Lebens. Zahlreiche wichtige politische Ämter, wie beispielsweise das eines Repräsentanten wird über die Erbfolge weitergegeben, wodurch einflussreiche Dynastien entstehen um die herum sich grosse Gefolgschaften entwickeln. Durch das Erbrecht wird weiterhin der materielle Besitz, vor allem die Rinder, an die Kinder übergeben.

Kinder sind unentbehrliche Helfer im System der pastoralnomadischen Wirtschaftsweise. Sie halten die Arbeiten, die zur Sicherung produktiver Prozesse notwendig sind aufrecht und sie entlasten die Erwachsenen, um auf diese Weise eine gesellschaftliche Arbeitsteilung zu ermöglichen, was wiederum das Überleben der Gruppe unter den schwierigen ökologischen Bedingungen erleichtert. So sind beispielsweise Jungen im Alter von 5 bis 14 dafür zuständig, die Schafe, Ziegen, Kälber und Esel auf die Weiden zu treiben und den ganzen Tag zu beaufsichtigen. Mädchen dagegen im gleichen Alter finden ihre Hauptaufgabe darin, im Lager das Wasser zu besorgen, d.h. den gesamten Tag mit kleineren und grösseren Wasserbehältern zwischen Brunnen und Lager hin und her zu pendeln.

Zahlreiche Krankheiten sind bei den Fulbe tabuisiert. Hierunter fallen beispielsweise Geschlechtskrankheiten wie Gonnorrhöe oder Syphilis. Eine Tabuisierung bedeutet, dass man über eine solche Krankheit nicht spricht: weder zu seinem Ehepartner bezüglich einer möglichen Ansteckungsgefahr, noch zu seinen Freunden und Verwandten bezüglich der gesundheitlichen Probleme und ihrer Behandlung. Die Folge ist dann zumeist eine Verschleppung dieser Krankheiten, wobei Unfruchtbarkeit nur eine der möglichen Folgen ist. Hieraus entwickelt sich dann häufig eine Art Teufelskreis: die Menschen leiden – physisch wie psychisch – weil sie körperlich beeinträchtigt sind und ihren sozialen und ökonomischen Rollenerwartungen nicht mehr gerecht werden können. Die täglichen Arbeiten können phasenweise nicht mehr verrichtet werden, und man wird von den anderen Mitgliedern der Gemeinschaft abhängig, d.h. die so hoch gewertete Autonomie des Individuums wird eingeschränkt. Dazu gesellen sich massive Angstzustände und Todeserwartungen, weil eine solche chronische Erkrankung stark von dem Erwartungsbild des "Normalen" abweicht, dass eine Krankheit nach einer Weile wieder weggeht.

Frank Kroenke, STI