Editorial

Von Thomas Schwarz

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Ich habe in meiner Berufslaufbahn nur ein paar Jahre lang für „den Staat“ gearbeitet – als Sekundarschullehrer im Fricktal. Dafür bin ich seit bereits zwanzig Jahren für verschiedenste nichtstaatliche Organisationen (NGOs) im humanitären, sozialen und internationalen Bereich tätig. Als Bürger ist „der Staat“ für mich eine Projektionsfläche vieler Hoffnungen und Visionen. Ich wünsche mir einen starken Staat, der mit allgemein zugänglichen und erschwinglichen Leistungen zum Wohl der Menschen beiträgt – und gleichzeitig einen mutigen, weisen, weichen und menschlichen Staat, der in all seinen Äusserungen meinen eigenen Werten und Grundsätzen entspricht. Doch der real existierende Staat (die Schweiz, der Aargau...) weigert sich beharrlich, besser als die Welt und besser als die Menschen – mich eingeschlossen – zu sein, und so bleibt der gute Staat eine nie erreichte platonische Utopie, der reale Staat aber ein Ort vieler kleiner und grösserer Verzweiflungen.

Vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit und dem Staat? - Meine ersten Erfahrungen als Mitarbeiter nichtstaatlicher Organisationen gingen in andere Richtungen. Als ich für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz unterwegs war, waren die Staaten, in denen ich arbeitete, entweder Unrechtsregime oder Trümmerhaufen. Als Rechtsberater von Asylsuchenden in der Schweiz sah ich in der staatlichen Behörden der Schweiz eine irregeleitete Maschinerie, die mehr zerstörte als half. Als leitender Mitarbeiter eines kantonalen Hilfswerks bildete dann dass Subsidiaritätsprinzip meine oberste Maxime: nur dort aktiv zu werden, wo der Staat seiner Verantwortung nicht oder nicht genügend nachkommt, und öffentliche Aufgaben nur „zähneknirschend“ übernehmen, indem nicht nur die Lücke gestopft, sondern gleichzeitig der Staat anwaltschaftlich auf seine Verantwortung verpflichten wird - mit dem oberstes Ziel, die Arbeit des Hilfswerks (das Hilfswerk selbst) wieder überflüssig zu machen.

In der internationalen Gesundheitszusammenarbeit ist das Band der Frustrationen über Risiken und Nebenwirkungen der Zusammenarbeit zwischen nichtstaatlichen Organisationen und dem Staat nicht weniger breit als in meiner Biographie. Dies haben die elf Jahre, die ich als (Co-) Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz tätig gewesen bin, und das Symposium vom 6. November 2007, das in dieser Bulletinausgabe dokumentiert wird, gleichermassen gezeigt. Aber am Ende blieb und bleibt vor allem die Erkenntnis, dass es für private Leistungsanbieter unabdingbar ist, sich am Rahmen der nationalen Gesundheitspolitik zu orientieren, und dass es sich lohnt, die eigene Identität und die eigenen Ziele kontinuierlich zu reflektieren und die Zusammenarbeit zu suchen. Mehr dazu verrate ich nicht – lesen Sie die spannenden Beiträge in diesem Reader!

Nach 47 von mir betreuten Bulletins gebe ich mit dieser Ausgabe die Hauptverantwortung für die Produktion des Bulletins von Medicus Mundi Schweiz in die Hände von Martin Leschhorn, meinem Nachfolgers in der Geschäftsleitung von Medicus Mundi Schweiz. Ich wünsche ihm dabei viel Erfolg – und Ihnen weiterhin gute Lektüre.

Thomas Schwarz leitete von 1996 bis 2007 die Geschäftsstelle von Medicus Mundi Schweiz (seit 2003 als Co-Geschäftsführer) und betreut seit dem 1. Januar 2008 das Mandat der Geschäftsführung von Medicus Mundi International. Kontakt: schwarz@medicusmundi.org.