Editorial

Von Thomas Schwarz

Lesezeit 1 min.

Irgendeinmal werde ich auch noch lernen, einen Videorecorder zu bedienen oder eine SMS-Nachricht in ein Handy zu tippen – und dabei zähneknirschend zugestehen müssen, dass die von mir bisher ignorierten Geräte nicht bloss Spielzeuge, nicht nur Ablenkung vom richtigen Leben sind. Bei Internet und E-mail habe ich diesen Sprung schon längst gemacht und dabei meine Vorurteile überwunden. Ich bin aber dem world wide web nicht einfach ins Netz gegangen, ich surfe nicht bloss an der Oberfläche des unabsehbaren Informationsflusses, den das Internet bietet: Ich nutze das Netz aktiv als Informations- und Kommunikationsmedium, als für meine tägliche Arbeit unverzichtbar gewordenes Werkzeug.

So weit so gut. Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) werden jedoch Hoffnungen und Ängste verbunden, die weit über die individuellen Vorlieben eines schweizerischen Bürokraten hinausgehen: Dem Traum vom Durchbruch zur demokratischen Informationsgesellschaft – die Bäuerin in Mali findet im Web die neuesten Preisinformationen, der Fischer in der Bucht von Bengalen studiert im Village Knowledge Centre den aktuellen Wetterbericht, die Krankenschwester in Uganda kann per Handy einen Facharzt konsultieren, und dieser kann wenn nötig via Internet die Meinung seiner Kollegen in Übersee einholen – stehen pessimistische Prognosen gegenüber: die weitere Vertiefung des strukturellen Ungleichgewichts, die Schaffung eines neuen Nord-Süd-Grabens (digital divide), neue Weisse Elefanten, ein technologischer Irrlauf, in den viel Geld und Prestige investiert werden, der aber für das konkrete Leben der Bevölkerung und die Entwicklung eines Landes nichts bringt.

Die vorliegende Bulletinausgabe versucht, Zwischentöne zu zeichnen: Wie können die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien am sinnvollsten für die Zwecke der Entwicklung genutzt werden? Was können sie zur Verbesserung der Basisgesundheitsversorgung beitragen? Wie können die neuen Technologien nachhaltig wirken, absorbiert werden, organisatorisch bewältigt, über lange Zeit betrieben, sozial integriert und verarbeitet werden? Dazu bietet der Reader, eine Kompilation von Internet-Quellen, hoffentlich anregende Lektüre.

Noch ein bezeichnender Nachsatz:

Englisch ist die dominante Sprache in der Kommunikation des frühen 21. Jahrhunderts. Das geht so weit, dass auch die "Knowledge Development - Knowledge for Development" Diskussion der schweizerischen Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA ganz selbstverständlich auf englisch geführt wird. Auch das vorliegende Bulletin kann sich diesem Trend nicht entziehen; den Nicht-Anglophonen geloben wir Besserung.

Thomas Schwarz, Geschäftsführer
Netzwerk Medicus Mundi Schweiz

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