Editorial

(Mehr als) Buchstabenspielereien

Von Helena Zweifel

ABC – so einfach wie das Alphabet soll die HIV-Prävention sein. A für Abstinence, B für Be Faithful und C für Condom (Abstinenz, Treue, Verwendung von Kondomen). Oder gar nur AB, also Abstinenz bis zur Ehe, wie es der Papst oder auch George W. Bush predigen? Kondome allenfalls für "Risikogruppen", für Leute, die sich nicht beherrschen können?

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Doch die Realität ist viel komplexer als ein einfaches ABC, das wissen wir alle. Ehepartnerinnen, die sehr wohl treu sind, werden von ihren Ehepartnern infiziert. In Kenia und Sambia sind junge Ehefrauen unter 18 Jahren eher HIV-positiv als ihre unverheirateten Kolleginnen, vor allem weil ihre Männer älter, sexuell erfahren und somit eher HIV-positiv sind. Wie können sich junge Mädchen gegen die Avancen männlicher Verwandter oder Fremder wehren, wenn sie kein „Recht“ haben, nein zu sagen, oder wenn Gespräche über Sex und Sexualität weitgehend tabuisiert oder von fundamentalistischen Institutionen blockiert werden?

Das ABC greift zu kurz. Es reduziert Prävention auf individuelle Entscheidungen und lässt gesellschaftliche Machtverhältnisse ausser Acht. Zudem kann es zur Ächtung und Ausgrenzung von HIV-positiven Menschen beitragen, wenn die Infektion implizit auf „unmoralisches“ Verhalten und persönliches Versagen zurückgeführt wird.

Aber spielen wir doch weiter das Buchstabenspiel. SAVE ist ein neuer Präventionsslogan, der mit besser gefällt. Er findet im Kontext der HIV-Prävention in Afrika zunehmend Verbreitung, vor allem auch in kirchlichen Kreisen. Erstmals hörte ich den Begriff von Patricia, einer HIV-positiven Pfarrerin, bei ihrem Besuch in der Schweiz vor zwei Jahren. SAVE, so Patricia, erlaubt es, auch in der Kirche über HIV-Prävention zu reden, und bezieht den gesellschaftlichen Kontext mit ein.

  • S - safe practices (sichere Praktiken) umfasst alle Präventionsmethoden.
  • A - available medication (vorhandene Medikation), fordert Zugang zu medizinischer Behandlung und Pflege einschliesslich antiretroviraler Behandlung und schlägt so den Bogen zur Wechselwirkung von Prävention und Behandlung.
  • V – voluntary conselling and testing (freiwillige Beratung und Testung) ist ein wichtiger, die Prävention förderlicher Aspekt, denn wer den eigenen HIV-Status kennt, ist eher bereit, sich und andere zu schützen.
  • E – empowerment, die Befähigung, selbstbestimmt zu handeln, ist für mich das wichtigste Element in einer wirkungsvollen HIV-Prävention. Zum Empowerment gehören die Möglichkeit, sich umfassend über sexuelle Fragen und HIV-Prävention informieren zu können, die Fähigkeit, in Beziehungen den Gebrauch des Kondoms auszuhandeln, und vor allem auch die Stärkung von jungen Mädchen und Frauen zur selbstbestimmten Sexualität. Empowerment beinhaltet auch ein ökonomisches Moment, eine minimale Sicherheit und Zukunftsperspektiven. Denn Jugendliche, die wissen, was sie in ihrem Leben wollen, und die Lebensperspektiven haben, sind tendenziell weniger gefährdet, sich mit dem Virus zu infizieren.

Empowerment heisst vor allem, dass Entwicklungsorganisationen Jugendliche in die Entwicklung von Programmen und Strategien miteinbeziehen und sie darin unterstützen, ihre Rechte auf Zugang zu umfassender Information und Gesundheitsdiensten wahrzunehmen. Jugendliche sind, wie Farai Mahaso an der Fachtagung von aidsfocus.ch sehr deutlich ausdrückte, fähig und bereit, sich für eine umfassende HIV-Prävention einzusetzen: „Given a chance, young people are leaders not just of tomorrow but also today.“

*Helena Zweifel, Koordinatorin aidsfocus.ch
Co-Geschäftsführerin Medicus Mundi Schweiz