Eine Genmutation schützt vor schwerer Malaria

Resultat einer Feldforschung am Albert Schweitzer-Spital in Lambarene

Von Birgit Bojowald

Seit fast zwanzig Jahren ist dem traditionsreichen Albert-Schweitzer-Krankenhaus in Lambarene ein Forschungslabor angeschlossen. Dessen Leiter Peter Kremsner, Professor für Parasitologie an der Universität Tübingen, legte 1990 den Schwerpunkt auf die Malariaforschung. Lambarene liegt in einem Gebiet des heutigen Gabuns, in dem die Malaria ganzjährig und häufig auftritt. Nun hat die Forschungstätigkeit in Lambarene erste wichtige Resultate gebracht.

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Als Albert Schweitzer zusammen mit seiner Frau Helene 1913 das Urwaldspital in Lambarene gründete, brachte er das medizinische Wissen des Anfangs des Jahrhunderts in das damalige "Äquatorialafrika". Anfangs arbeitete Schweitzer hauptsächlich an medizinischen Problemen wie der chirurgischen Versorgung von Wunden und eingeklemmten Brüchen oder dem Ziehen von vereiterten Zähnen. Als einziger Arzt der Provinz hatte er sich aber auch um Infektionskrankheiten wie Malaria, Schlafkrankheit und Lepra zu kümmern. Schon die Diagnosestellung der gefährlichsten Form der Malaria, der Malaria tropica, verlangte von ihm stundenlanges Mikroskopieren. So schreibt er in seinem Buch "Zwischen Wasser und Urwald", dass ihn "zwei Patienten mit verdächtigem Kopfschmerz und Fieber den ganzen Morgen an das Mikroskop bannen".

Seit dieser Zeit hat sich in Lambarene einiges verändert: Das Albert- Schweitzer-Krankenhaus wurde umgebaut und erweitert. Ein klimatisierter Operationssaal hat Albert Schweitzers Hühnerstall, in dem er zusammen mit seiner Frau zu operieren begann, schon lange ersetzt. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den letzten Jahrzehnten erleichterten die medizinische Arbeit enorm, jedoch fordert gerade die Malaria die Ärzte immer wieder aufs neue heraus. Auch wenn viele Errungenschaften die medizinische Arbeit erleichterten: in der Malariadiagnostik hat sich im Alltag eines zentralafrikanischen Krankenhauses nicht viel verändert. Auch heute setzt eine gute Diagnose längeres Mikroskopieren eines erfahrenen Mitarbeiters voraus.

Vor allem Kinder leiden zu einem grossen Teil an persistierender Malaria bzw. unter wiederholten Infektionen mit Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica. Bemerkbar macht sich diese Erkrankung durch Fieber, Durchfälle und Kopfschmerzen, wodurch regelmässig für viele Kinder ein Schulbesuch unmöglich, ein Krankenhausaufenthalt notwendig oder eine Bluttransfusion wegen schwerer Blutarmut unerlässlich wird. Interessanterweise zeigen andere Kinder einen viel milderen Krankheitsverlauf, obwohl sich im Blut die gleichen Parasiten nachweisen lassen. Dieses Phänomen, welches den Malariaforschern in aller Welt schon lange bekannt ist, wirft immer wieder neue Fragen auf. Daher wurde in der Forschungsstation in Lambarene 1995 ein Projekt mit 200 Kindern begonnen.

Um einen direkten Vergleich zwischen schwerer und leichter Malaria zu ermöglichen, wurden 100 Kinder, die das Albert-Schweitzer-Krankenhaus wegen schwerer Malaria aufsuchten, in die Studie aufgenommen, behandelt und beobachtet. Während der Behandlung dieser Malariaattacke, die sich durch gefährliche Blutarmut, Koma oder massivem Parasitenbefall manifestierte, wurden Daten über Blutwerte, Komadauer und viele andere Befunde gesammelt. Mit einer einzigen Blutentnahme wurden nicht nur die klinischen Daten erhoben, sondern auch die Antikörperproduktion bestimmt und Parasiten typisiert. Weiter wurden die weissen Blutkörperchen, die Effektoren des Immunsystems, in einer Zellkultur gezüchtet. Das Zellverhalten lässt sich so ohne störende Einflüsse gezielt beobachten und erlaubt dadurch Rückschlüsse auf das Immunsystem der Kinder während der Malariainfektion. Parallel zu diesen 100 Kindern mit schwerer Malaria wurden 100 gleichaltrige Kinder mit leichter Malaria in die Studie aufgenommen und in gleicher Weise untersucht.

Durch dieses Studiendesign wird der Vergleich der schweren Fälle untereinander um den Vergleich zwischen schwerer und leichter Malaria erweitert. Ausserdem sollte eine längere Nachbeobachtung der Kinder Aufschluss über die Anzahl, Schwere und Art der nachfolgenden Malariaattacken geben. Um ihren aktuellen Gesundheitszustand zu ermitteln, wurden die Kinder alle zwei Wochen zuhause aufgesucht. Im Krankheitsfall gab es für diese Kinder die Möglichkeit, von dem ärztlichen Forschungsteam behandelt zu werden. Zusätzlich dokumentierte das Forscherteam die sozio-ökonomischen Bedingungen, unter denen jedes einzelne Kind lebte. Diese intensive Arbeit mit den Kindern und ihren Familien erfordert neben der eigentlichen medizinischen Arbeit lange Autofahrten auf zum Teil sehr schlechten Strassen und, wie schon zu Albert Schweitzers Zeiten, geduldiges Mikroskopieren.

Seit Studienbeginn füllen sich die verschiedenen Datenbanken der Forscher mit unzähligen Daten und Informationen: So wurde die Vermutung, dass die Kinder mit leichter Malaria durch einen ererbten Faktor vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt sind, bestätigt. In dieser Gruppe war nicht nur das schon länger als Schutz bekannte Sichelzellgen häufiger zu finden, sondern es gelang den Forschern auch, eine weitere Genveränderung zu entdecken: Mit Hilfe der erhobenen Daten liess sich diese Genmutation, die nach dem Entdeckerort "NOS2-Lambarene" genannt wurde, als ein vor schwerer Malaria schützender Faktor feststellen.

Die Vorstellung, dass die Lebensbedingungen einen grossen Einfluss auf den Gesundheitszustand der Kinder gehabt haben könnten, liess sich nicht erhärten, da sich diese nicht erkennbar unterschieden. Jedoch blieb nach den ersten Untersuchungen die Frage offen, ob Kinder mit schweren Infektionen nicht doch verstärkt den die Malaria übertragenden Anopheles- Mücken ausgesetzt sind. Zu verschiedenen Jahreszeiten fingen die Mitarbeiter mit eigens konstruierten Fangvorrichtungen nachts in den Häusern der Kinder Mücken, um sie anschliessend im Labor zu untersuchen. Aber auch hier konnten keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Die äusseren Umstände scheinen also keinen Einfluss auf die Schwere und Häufigkeit der Erkrankung zu haben. Dies erhärtet den Verdacht, dass tatsächlich die entdeckte Genveränderung einen wichtigen Faktor für die Gesundheit der Bevölkerung darstellt.

Insgesamt führte das hier vorgestellte Projekt, das als Malariaforschung an Kindern begann, nicht nur zu einem Erkenntnisgewinn auf dem Gebiet der Malaria, sondern darüber hinaus auch zu einem besseren Verständnis der Auswirkungen einer weitverbreiteten und eine Gesellschaft schwer beeinträchtigenden Infektionskrankheit.

*Birgit Bojowald, Medizinstudentin an der Universität in Tübingen, arbeitete von August ´98 bis April ´99 im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der von ihr beschriebenen Studie. In der Internet-Ausgabe ihres Artikels (www.medicusmundi.ch/bulletin.htm) findet sich eine umfassende Literaturliste. Der Schweizer Hilfsverein für das Albert Schweitzer-Spital ist Mitglied von Medicus Mundi Schweiz.

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