Editorial

Medizintechnik und angepasste Technologie

Von Vreni Wenger-Christen

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Mit dem inhaltlichen Schwerpunkt dieses Bulletins greift das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz einen Aspekt aus seinem Leitbild 2005 auf, der sich in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit als ebenso vielfältig wie anspruchsvoll und widersprüchlich erweist und dennoch unverzichtbar ist.

Setzt man bei Wissenschaft und Forschung an, trifft die Schlagzeile des WHO Weltgesundheitsberichtes 2000 wohl kaum widerlegbar zu, "Unsere Epoche ist jene des raschesten technologischen Wandels der Gesundheitsversorgung in der Menschheitsgeschichte". Nach dem schwedischen Fachrat für Technologie-Assessment ist davon auszugehen, dass 50% der heute angewandten Diagnostik- und Therapie-Methoden vor zehn Jahren nicht existierten.

Staatliche Gesundheitsdienste, Fachpersonal, internationale und nationale Gesundheitsorganisationen in allen Ländern der Welt haben sich der rasanten Entwicklung von Wissen und Technologie in geeigneter Form zu stellen, ja stehen unter wachsendem Druck, angemessene Ressourcen, erforderliche Leistungen und resultierende Kosten im Gesundheitswesen in Einklang zu halten. Allein die Komponente Medizintechnik, als Beispiel, erweist sich als hochkomplex und anspruchsvoll. So unterliegt ihre Beschaffung mehrheitlich den Regeln des internationalen Marktes, was für nicht-industrialisierte Länder bedeutet, dass viele der angebotenen Güter unerschwinglich sind. Daraus wiederum ergibt sich das gesundheitspolitische Dilemma, Spezialmedizin für Wenige zu ermöglichen und dazu fachliche und finanzielle Ressourcen zu binden, oder aber sich zugunsten einer breiten Versorgung der Bevölkerung Selbstbeschränkung aufzuerlegen. Eine vergleichbare Problematik ergibt sich aus dem Patentschutz wichtiger Medikamente und dem vielfach erschwerten Zugang der weniger entwickelten Länder zu kostengünstigeren Generika.

Die verschiedenen Beiträge dieses Bulletins widerspiegeln vielfältige Erkenntnisse und Einblicke in Theorie und Praxis rund um den Bereich der Medizintechnik und damit verbunden angepasster Technologien. Sie zeigen auf, was aus Aktionen der frühen Jahre der humanitären Zusammenarbeit, aus dem Einsatz gebrauchter, beziehungsweise im Wohlstandskontext überholter Güter entstanden ist oder entstehen kann und wie stetig differenziertere Kriterien verlangt sind. Technologietransfer bedeutet Auseinandersetzung mit entwicklungs- oder reformpolitischen Aspekten, mit Bedarf und Angebot, mit Logistik, technischer Anleitung, Bildung, und schliesslich mit gemeinsamer Verantwortung. Auf Menschen gebaute Partnerschaft und das ständige Bemühen um "best practice" sind dabei wichtige Leitmotive.

Im Verlauf der letzten Jahre hat auch die Weltgesundheitsorganisation WHO wertvolle Erfahrungen zu Richtlinien verdichtet, so in Teilbereichen wie Bedarfseinschätzung für Medizintechnik, Spenden von medizinischen Gerätschaften und den Einsatz essentieller Medikamente. Solche Orientierungshilfen sind in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit unverzichtbar, sollen Qualität und Nachhaltigkeit gestärkt und die in der Regel knappen Ressourcen sinnvoll eingesetzt werden.

*Vreni Wenger-Christen, Departements-Co-Leiterin Internationale Zusammenarbeit, Schweizerisches Rotes Kreuz SRK