Mutter-Kind HIV-Präventions- und Behandlungsprojekt in Kamerun

Der positive Test ist nicht das Ende

Von Nicolas Regamey

In Afrika südlich der Sahara werden jedes Jahr mehr als 500’000 mit dem HI-Virus infizierte Frauen schwanger und gebären. 20 bis 25 Prozent der Kinder sterben innerhalb der ersten zwei Lebensjahre, 60 bis 70 Prozent vor dem sechsten Lebensjahr. Der Schweizer Kinderarzt Nicolas Regamay berichtet über sein Engagement für Mutter und Kind in Kamerun.

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In Afrika stellt die Übertragung des HI-Virus von der Mutter auf ihr Kind während der Schwangerschaft, Geburt und während der Stillperiode die bei weitem häufigste Form der HIV-Infektion bei Kindern dar.

Im April 2000 startete ich als Schweizer Kinderarzt im Krankenhaus Ngaoubela in Kamerun ein Pilotprojekt zur Verhinderung der HIV-Übertragung von Mutter auf Kind. Kamerun zählt zu den Ländern, die eine hohe HIV-Prävalenz aufweisen, und innerhalb des Landes steht wiederum die Region Adamaoua, wo sich das Krankenhaus Ngaoubela befindet, laut nationaler Statistik bezüglich HIV-Prävalenz an der Spitze.

Im Krankenhaus Ngaoubela werden seit April 2000 Frauen, die zur Schwangerschaftsvorsorge kommen, ausführlich über HIV/Aids informiert und erhalten die Möglichkeit, einen HIV-Test gratis durchführen zu lassen. Falls der HIV-Test positiv ausfällt werden sie medizinisch betreut und während der Schwangerschaft von einem Projektmitarbeiter zu Hause besucht. Die HIV-positiven Schwangeren erhalten während der Geburt das Medikament Nevirapine, das das Übertragungsrisiko des HI-Virus auf das Kind vermindert, und werden anschliessend mit ihren Neugeborenen medizinisch und psychologisch weiter betreut.

Betreuung von 200 Mutter-Kind-Paaren

Über die fünf Jahre des Projektes liessen sich mehr als 5’000 Frauen auf HIV testen. Davon waren sieben Prozent HIV-positiv. Über 200 Mutter-Kind Paare konnten medizinisch betreut und mit dem Medikament Nevirapine behandelt werden.

Besondere Bedeutung wurde der Information der Schwangeren über HIV/Aids vor und nach dem HIV-Test gegeben. Zwei Pfleger wurden dazu speziell geschult. Ohne ein einfühlsames Beratungsgespräch neigen nämlich viele Menschen, die plötzlich vor der Diagnose „HIV-positiv“ stehen, dazu, den Mut zu verlieren und sich fallen zu lassen. Das „pre-test counseling“ konnte durch die Anschaffung eines Fernsehers mit Video-Gerät verbessert werden: Während den Wartezeiten vor der Schwangerschafts-Vorsorgekonsultation werden den Schwangeren Informations-Kurzfilme über HIV/Aids gezeigt. Zudem konnte das Krankenhaus ein neues Kopiergerät anschaffen, um Informationsblätter über HIV/Aids, welche den Schwangeren verteilt werden, in den verschiedenen lokalen Sprachen zu kopieren.

Für viele HIV/Aidsbetroffene Mütter und Kinder konnte auch eine antiretrovirale Kombinationstherapie eingeleitet werden. Dank der Anschaffung eines FACS-Gerätes zur CD4-Lymphozytenmessung ist jetzt eine dem Stadium der Erkrankung angepasste Therapie vor Ort möglich. Somit ist die Prognose der Krankheit auch nicht mehr so katastrophal wie noch vor wenigen Jahren. Ein Monat HIV-Therapie mit einer Dreifachmedikation ist aktuell für 40 bis 50 Franken erhältlich, was diese Medikamente in zunehmender Masse für die Bevölkerung zugänglich macht.

Gezielte Information und Prävention

Die im Projekt erhobenen epidemiologischen Daten zeigen unter anderem, dass es erhebliche Unterschiede in der HIV-Prävalenz zwischen verschiedenen Ethnien und Dörfern gibt. Dies erlaubt, eine auf Risikogruppen gezielte HIV-Präventionsstragie zu betreiben. So wurde zum Beispiel im Dorf Malarba eine HIV-Informationsstelle eröffnet. Dieses Dorf liegt an der Hauptstrasse und ist ein beliebter Übernachtungsort für Lastwagenfahrer. Die hohe Prostitutionsaktivität im Dorf macht sich durch die hohe HIV-Prävalenz bei den Frauen des Dorfes bemerkbar.

Besonders erwähnenswert und erfreulich ist noch, dass uns im Zuge der Bemühungen, das Thema HIV/Aids von Tabu und Scham zu befreien, gelungen ist, eine Selbsthilfegruppe HIV-Infizierter und Betroffener zu gründen, die einstweilen schon über 50 Mitglieder zählt und ganz wesentlich dazu beiträgt, wieder Mut und Selbstvertrauen zu gewinnen.

Dank der Pilotdaten, die durch dieses Projekt gewonnen werden konnten, wurden ähnliche Projekte in zwei weiteren Krankenhäusern in der Region Adamaoua gestartet. Ein grösseres Mutter-Kind HIV-Präventionsprogramm, das alle Krankenhäuser der Region einbezieht, konnte im Verlauf realisiert werden. Dieses Programm wird nun von weiteren Geldgebern aus den USA und aus Norwegen unterstützt und weitergeführt. Der Staat hat in den letzten Jahren ebenfalls die Wichtigkeit des Problems erkannt und liefert nun zum Teil kostenlos HIV-Tests und Medikamente zur Prävention der vertikalen HIV-Übertragung. Somit können infizierte Schwangere bereits während der Schwangerschaft mit einer antiretroviralen Therapie behandelt werden. Es vergehen jedoch manchmal Monate, ohne dass die bestellten Medikamente vom Staat geliefert werden. Somit beruht die Kontinuität des HIV-Präventionsprojektes weiterhin zum grossen Teil auf Spendengeldern.

* Dr. med. Nicolas Regamey, Facharzt für Kinderheilkunde und Oberarzt an der Medizinischen Universitäts-Kinderklinik am Inselspital in Bern, weilt gegenwärtig im Rahmen eines Followships in London. Das von ihm beschriebene Projekt wurde zu Beginn von privaten Spenden aus dem Erlös vom Verkauf von Kinderzeichnungen finanziert. Im Jahr 2002 konnte die Hilfe der Stiftung Aids & Kind gewonnen werden. Weitere Spenden werden mit Freude entgegengenommen. Kontakt: N.Regamey@imperial.ac.uk.