Editorial

Von Andreas Wirz

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Liebe Leserinnen und Leser,

Als Ausdruck des Eingeständnisses, dass die moderne Medizin in ihrer bisherigen Form nicht imstande ist, den an sie gestellten Ansprüchen gerecht zu werden, wurde die Idee der Primary Health Care oder der Primären Gesundheitspflege seit mehr als 20 Jahren weiterentwickelt. Relativ neu ist hingegen die Einsicht, dass die Grundprinzipien der Primären Gesundheitspflege auch im industrialisierten Teil der Welt ihre Gültigkeit besitzen.

An der 27. Weltgesundheitsversammlung im Jahre 1974 wurden Ziele der Gesundheitspflege formuliert, die auch heute aktuell bleiben: Gesundheit sollte wieder mehr in die Verantwortung aller gegeben und die Medizin dort, wo sie sich vom Boden der Realität abgehoben hat, wieder mit ihren eigentlichen Aufgaben konfrontiert werden. Zu diesem Zwecke formulierte die Weltgesundheitsversammlung sieben Grundsätze der Primären Gesundheitspflege, die auch heute noch weltweit und somit auch in der Schweiz beachtet und angewendet werden sollten:

1. Orientierung an den Bedürfnissen der Bevölkerung;
2. Integration in den nationalen Gesundheitsdienst;
3. Einbezug anderer gesundheitsrelevanter Sektoren, z.B. Bildung, Landwirtschaft;
4. Partizipation der Bevölkerung an der Suche nach Problemlösungen;
5. Berücksichtigung der begrenzten finanziellen Mittel und Nutzung lokaler Ressourcen;
6. Integration und Koordination von Massnahmen zur Prävention, Therapie und Rehabilitation sowie der Gesundheitsförderung;
7. Dezentralisation der Dienste.

An der berühmten Konferenz von Alma Ata im September 1978 wurde dann ein Aktionsprogramm mit 22 Empfehlungen zur Primary Health Care formuliert, an welchem auch Nichtregierungsorganisationen wie Medicus Mundi mitgearbeitet haben. „Alma Ata“ ist seither beinahe so etwas wie eine Zauberformel, zu einem Synonym für Primary Health Care geworden. Ein weiterer Markstein war die erste internationale Konferenz zur Gesundheitsförderung im November 1986 in Ottawa. Sie verabschiedete eine „Charta for Health Promotion“, welche die Ziele der Primary Health Care im gesundheitspolitischen und sozioökonomischen Kontext der westlichen Industrienationen formulierte.

In seinem Buch „Gesundheitsproblematik der Dritten Welt“ sagt Hans Jochen Diesfeld: „Entwicklungsländer zu kritisieren, weil sie den Primary Health Care Gedanken immer noch nicht wesentlich realisiert haben, ist billig angesichts der Unfähigkeit der Industrienationen in eigener Sache.“

Andreas Wirz

In dieser Ausgabe des „bulletin medicus mundi“ werden die Grundlagentexte einer Tagung von Medicus Mundi Schweiz vom 7. Juni 1997 in Bern zum Thema „Primary Health Care - und die Schweiz?“ wiedergegeben.