Editorial

Von Martin Leschhorn Strebel

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Der im Kanton Aargau wirkende Pfarrer Max Stückelberger erzählte mir einmal, wie er sich während des Biafra-Krieges zwischen 1967 und 1970 gegen den schweizerischen Waffenexport an Nigeria auch von der Kanzel herab gewehrt habe. Von seiner Gemeinde musste er dafür Kritik einstecken. Ein Gemeinderat sei nach der Predigt zu ihm gekommen, habe ihm freundschaftlich auf die Schulter geklopft und gesagt: „Lieber Max, ich besuche die Kirche erst wieder, wenn der Pfarrer nicht mehr über Politik spricht!“

Wenn sich Kirchenvertreter politisch engagieren treffen sie schnell einmal auf Argwohn. Sie sollten sich auf Fragen des Jenseitigen konzentrieren und sich nicht in die Debatten des Diesseitigen einmischen. Gleichzeitig wird ihr politisches Engagement als besonders gefährlich eingestuft: Max Stückelberger hat es durch sein Engagement zu einer Aufnahme ins Subversivenarchiv von Ernst Cincera gebracht.

In der Gesundheitszusammenarbeit arbeiten verschiedene Hilfswerke, die einen religiösen Hintergrund haben. Aufgrund der Geschichte der Missionsbewegungen schwingt bei ihrer Arbeit gerne mal der Verdacht mit, die individuelle Krisensituation der PatientInnen für Missionierungen auszunutzen. Gerade aber die Auseinandersetzung mit krankmachenden Strukturen im Diesseitigen, mithin also das politische Engagement kirchlicher Hilfswerke zeigen auf, welch grosses gesellschaftspolitisches Potential in dieser Arbeit steckt.

Die religiös inspirierten Hilfswerke haben sich in diesem Sinne in den letzten Jahren enorm weiterentwickelt. Die Auseinandersetzung mit dem Politischen etwa durch den religiösen-sozialistischen Theologen Leonhard Ragaz, durch Karl Barth oder die Befreiungstheologie sind in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Indem das versprochene „ewige Heil“ für das Wohlergehen der Menschheit hier auf Erden eingefordert wurde, konnten kirchliche Hilfswerke ihre emanzipatorische Kraft entwickeln.

Martin Leschhorn Strebel
Redaktor des Bulletins und Geschäftsleitungsmitglied des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz. Kontakt: mleschhorn@medicusmundi.ch