Die polnischen Abtreibungsgesetze gehören zu den restriktivsten in Europa. Schwangerschaftsabbrüche sind nur aus zwei Gründen erlaubt: Wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren gefährdet und wenn sie das Ergebnis einer Vergewaltigung oder eines Inzests ist. Während der bloße Besitz oder die Selbstverwaltung von abtreibungsfördernden Medikamenten in Polen nicht strafbar ist, wird jede Person oder jeder Arzt, der schwangeren Frauen außerhalb der gesetzlich zulässigen Gründe zu einem Schwangerschaftsabbruch verhilft, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verurteilt. Die Anti-Abtreibungsbewegung wächst, und es besteht die Notwendigkeit, Menschen, die das Recht auf Abtreibung verteidigen und wichtige Dienstleistungen erbringen, besser zu schützen. Sie werden zunehmend stigmatisiert, eingeschüchtert, angegriffen und zu Unrecht verfolgt, was ihre Arbeit erschwert und gefährlich macht.

In dieser Folge spricht Carine Weiss mit Justyna Wydrzyńska über das Recht auf Abtreibung und Justyna’s Verurteilung, die erfolgte, nachdem sie im Jahr 2021 einer Frau zu einer Abtreibung verholfen hatte. Sie sprechen auch über die Ängste, das Stigma und die Missverständnisse im Zusammenhang mit medizinischen Abtreibungspillen im ersten Trimester einer Schwangerschaft.

Justyna Wydrzyńska
Justyna Wydrzyńska ist eine polnische Abtreibungsrechtsaktivistin und ehemalige Chemikerin. Im Jahr 2006 beschloss sie, anderen Frauen zu helfen, Zugang zu einem sicheren Schwangerschaftsabbruch zu erhalten und gründete "Kobiety w Sieci" (Frauen im Netz), eine Online-Website mit Informationen über selbst eingeleitete medizinische Abtreibungen. 2016 gründete sie zusammen mit drei anderen Frauen das "Abortion Dream Team", ein Aktivistinnenkollektiv, dass sich gegen die Stigmatisierung von Abtreibungen in Polen einsetzt und Schulungen und vorurteilsfreie Beratung zu sicheren Abtreibungen anbietet.

Im Jahr 2019 war sie Mitbegründerin von "Abtreibung ohne Grenzen", einer Initiative, die polnische Frauen mit Abtreibungsanbieter:innen in anderen europäischen Ländern verbindet.Im Februar 2020, inmitten der COVID-19-Pandemie, wurde sie von einer verzweifelten schwangeren Frau kontaktiert, die mit einem gewalttätigen Partner zusammenlebte. Justyna schickte ihr ihre eigenen Abtreibungspillen, aber der Partner der Frau fing das Paket ab und rief die Polizei. Im November 2021 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Justyna wegen Beihilfe zum Schwangerschaftsabbruch. Im März 2023 wurde sie für schuldig befunden und zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt - ein gefährlicher Präzedenzfall in Europa. Trotz ihrer Verurteilung setzt Justyna Wydrzyńska ihre Menschenrechtsarbeit fort, was ihr kürzlich einen Platz unter den drei Finalist:innen für den Václav-Havel-Menschenrechtspreis der Parlamentarischen Versammlung des Europarats einbrachte.

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