Malaria ist ein Killer, sowohl für die Menschen als auch für die Volkswirtschaften der betroffenen Staaten. Der Malaria fallen nach Angaben der WHO pro Jahr eine Million Personen zum Opfer; nach Aids und Tuberkulose ist die Malaria somit die dritthäufigste Todesursache in den ärmsten Ländern der Welt. Weltweit leiden über 500 Millionen Menschen unter einer Malaria-Erkrankung. In Afrika werden 40 Prozent der Ausgaben des Gesundheitswesens für die Behandlung von Malaria aufgewendet. Diese Last und der krankheitsbedingte Verlust an produktiven Arbeitskräften sind, wie neuere Analysen zeigen, massgeblich für das geringe Wirtschaftswachstum in Afrika verantwortlich.

Um so erfreulicher die Nachricht, die Ende Mai verbreitet wurde: Die Weltgesundheitsorganisation WHO und der Basler Pharmakonzern Novartis kündigten an, gemeinsam mit einem neuartigen Medikament die Malaria in Entwicklungsländern zu bekämpfen, und unterzeichneten in Genf eine entsprechende Vereinbarung. WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtland hielt anlässlich der Vertragsunterzeichnung fest, solche Abkommen zwischen öffentlichen und privaten Partnern seien entscheidend im Kampf gegen Krankheiten in armen Ländern. Es gelte, vorhandene Ressourcen und Know How den Ärmsten zur Verfügung zu stellen. Novartis-CEO Daniel Vasella betonte seinerseits die den Umständen angemessene Grosszügigkeit der Geste: "Novartis will forgo any profit in favor of getting this medicine to patients who otherwise would never have the chance to receive effective malaria treatment."

Was beinhaltet die Vereinbarung konkret? Novartis wird der WHO das Malariamittel Co-artemether (Coartem®) zum Selbstkostenpreis von zehn US-Cents für PatientInnen in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Somit können Erwachsene für 2,5 Dollar vollständig behandelt werden, für Kinder ist die Behandlung noch etwas billiger. Um die Effizienz der neuen Behandlungsmethode sicherzustellen, werden die Verpackungen für das neue Medikament so gestaltet, dass sie auch für Kinder und für Analphabeten verständlich sind. Die WHO werde für das neue Medikament in den betroffenen Ländern ein Verteilnetz aufbauen.

Co-artemether, das in der Schweiz unter dem Namen Riamet®zu einem Packungspreis von CHF 63.60 24 (Tabletten) verkauft wird, wurde von Novartis in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrobiologie und Epidemiologie in Peking entwickelt und wird in China hergestellt. Es ist ein in fester Dosierung verabreichtes Kombinationspräparat aus Artemether, einem traditionellen chinesischen Pflanzenheilmittel, und Lumefantrin, einem synthetischen Wirkstoff. Die beiden Substanzen sollen gemäss Herstellerangaben rasch die Parasiteninfektion und Malariasymptome beseitigen. Coartem soll eine Heilungsrate von 95 Prozent aufweisen.

Eigentlich eine ringsum erfreuliche Nachricht: ein neues, offenbar hochwirksames Heilmittel, und Hoffnung für PatientInnen in armen Ländern. Wo liegen das Problem?

Selbst WHO-Generaldirektorin Brundtland hat festgestellt, dass der günstige Preis von 2.50 Dollar pro Coartem-Behandlung für viele Menschen noch bei weitem zu hoch ist. Das Medikament muss also, um verfügbar zu werden, von den Abnehmerländern weiter subventioniert werden, und da die meisten von ihnen dazu nicht in der Lage sind, liegt der Ball zuletzt wohl bei internationalen öffentlichen und privaten Geldgebern.

Unter dem Druck internationer Kampagnen im Zusammenhang mit Patentrechten und Zugang zu Medikamenten ("Profit gegen Menschenleben") haben einige Pharmaunternehmen in den letzten Jahren Geschenke und massive Preisreduktionen gewährt. Auch Novartis beschränkt sich auf ein "grosszügiges Geschenk". Da die zugrundeliegende Preiskalkulation nicht offengelegt wird, stellt sich zunächst die Frage: Bezieht sich der mit der WHO vereinbarte "Selbstkostenpreis" auf die laufenden Produktionskosten, oder beinhaltet er auch die Forschungs- und Entwicklungskosten? Wenn ja: wann sind diese abgegolten, und wird dann der Preis neu festgelegt?

So oder so bleiben alle Rechte zu Coartem im exklusiven Besitz der Novartis. Dabei hätte man vom Basler Unternehmen mit gutem Recht eine andere Lösung erwarten können: Die Heilpflanze Artemisia annua und insbesondere die Anti-Malaria-Aktivität ihrer Inhaltsstoffe sind in China schon seit Jahrhunderten bekannt. Und so werden der Wirkstoff Artemisininund seine Derivate in Asien bereits erfolgreich in der Malariabekämpfung eingesetzt. Der überwiegende Teil der Grundlagenforschung zum Kombinationspräparat Co-artemether wurde von den chinesischen Partnern der Novartis geleistet. Aufgrund eines 1994 abgeschlossenen Lizenz- und Entwicklungsabkommens haben sie Novartis die weltweiten Rechte für Registrierung und Vermarktung von Coartem überlassen – mit Ausnahme von China. Sie haben den für sie einfacheren Weg gewählt und dabei die Chance vertan, die Frage nach den Patentrechten über ein in einer internationalen Kooperation staatlicher und privater Partner entstandenes Heilmittel für einmal anders zu beantworten:

Würde sich Novartis auf die Vermarktung des Hochpreismedikaments Riamet beschränken und zulassen, dass generische Co-artemether-Kopien in Entwicklungsländern lizenziert und vermarktet würden, dann wäre einerseits die umständliche Verteilung durch die WHO hinfällig, anderseits würde der Markt den Preis für das Heilmittel wohl nochmals stark nach unten drücken. Eine Illusion? - zumindest eine Utopie, jedenfalls in einer Zeit, in der zwar alle über den besseren Zugang zu Medikamenten sprechen, die Patentrechte der Pharmaindustrie jedoch auch für die UNO und die WHO als unantastbar gelten. Doch (gute) Utopien neigen dazu, irgendeinmal zur selbstverständlichen Realität zu werden...

Thomas Schwarz ist Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz.