New York, September 2023: Sie wollen wieder zusammen eine gesündere Welt aufbauen. Wer’s glaubt....
Foto: United Nations Photo/UN Photo/Rick Bajornas/flickr.com; CC BY-NC-ND 2.0

Im September 2019 trafen sich Staats- und Regierungschefs und weitere hochranginge Regierungsvertreter in New York zu einem „High-Level Meeting zur allgemeinen Gesundheitsversorgung (Universal Health Coverage, UHC). Die politische Abschlusserklärung trug den Titel „Zusammenkommen, um eine gesündere Welt aufbauen“. Das Netzwerk Medicus Mundi International (MMI) war damals stark im Vorbereitungsprozess engagiert und nahm auch mit einem Vertreter am High-Level Meeting teil. Im Anschluss an das High-Level Meeting kritisierten wir die politische Erklärung, mit ihren elf Seiten und insgesamt 59 „Verpflichtungspunkten“ (Commitments) als schwache und unspezifische Wunschliste, die zu keiner wesentlichen Änderung des Zugangs der Menschen zur Gesundheitsversorgung führen würde.


Ein neuer Versuch…

Vier Jahre später bereiten sich die Weltgesundheitsorganisation und die Regierungen auf ein weiteres High-Level Meeting zu UHC vor, das am 21. September 2023 in New York stattfinden wird. Doch die Vorzeichen sind düster: in einer zutiefst gespaltenen Welt, die von Konflikten nationalen Egoismen und geopolitischen Spannungen geprägt ist, sind die Staaten, nicht „zusammengerückt“, und die Welt ist sicherlich nicht gesünder geworden. Die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitssysteme weiter geschwächt und die Folgen großer Ungleichheiten, wirtschaftlicher und finanzieller Ungerechtigkeit, der Kommerzialisierung der Gesundheitsversorgung sowie des Mangels an Solidarität und internationalem Handeln deutlich gemacht.

Genauer gesagt, laut dem globalen Überwachungsbericht „Tracking Universal Health Coverage“ aus dem Jahr 2021 wurden einige Fortschritte bei der Leistungsabdeckung („Coverage“) in den letzten 20 Jahren teilweise durch die COVID-19-Pandemie zunichte gemacht, während die Ziele hinsichtlich der Verringerung finanzieller Härten noch lange nicht erreicht sind. Laut einem Bericht, den der WHO-Generaldirektor der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung vorgelegt hatte „erkennen die meisten Länder zwar die allgemeine Gesundheitsversorgung als ein Ziel an, das sich in Gesetzen und nationalen Plänen widerspiegelt, doch das Fehlen konkreter operativer Schritte in Verbindung mit einer unzureichenden öffentlichen Finanzierung des Gesundheitswesens führt dazu, dass Fortschritte bei der Verwirklichung relevanter Ziele für 2030 weiter aus der Bahn geraten.“
Laut einem Bericht, den der WHO-Generaldirektor der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung vorgelegt hatte „erkennen die meisten Länder zwar die allgemeine Gesundheitsversorgung als ein Ziel an, das sich in Gesetzen und nationalen Plänen widerspiegelt, doch das Fehlen konkreter operativer Schritte in Verbindung mit einer unzureichenden öffentlichen Finanzierung des Gesundheitswesens führt dazu, dass Fortschritte bei der Verwirklichung relevanter Ziele für 2030 weiter aus der Bahn geraten.“
Foto: European External Action Service/flickr.com; CC BY-NC-ND 2.0<br>
Foto: European External Action Service/flickr.com; CC BY-NC-ND 2.0


Die WHO startete optimistisch

Dennoch wollte die WHO, im Jahr ihres 75-jährigen Jubiläums, die Gelegenheit nutzen, um erneut auf höchster politischer Ebene der UNO-Generalversammlung Unterstützung und konkrete Verpflichtungen zu erhalten, wie das gesellschaftliche und politische Projekt „Gesundheit für alle“ konkret, in jedem Staat, und gemeinsam durch die Staatengemeinschaft, voranzutreiben ist.

Kurz, prägnant und handlungsorientiert sollte die Abschlusserklärung diesmal sein, mit klaren und messbaren Zielvorgaben. Das war jedenfalls das erklärte Ziel des WHO-Sekretariats, aber auch der Regierung von Thailand, die zusammen mit Guayana vom UNO-Generalsekretär mit dem Prozess der Erarbeitung der „politischen Erklärung“ beauftragt wurde. Noch im November, als wir, das Netzwerk Medicus Mundi International, von der Regierung von Thailand zu einem Strategietreffen bezüglich des High-Level Meetings eingeladen wurden, und im Januar, als wir unsererseits die WHO und Thailand zu einem Podiumsgespräch eingeladen hatten, war dieser Optimismus da.

Doch New York ist nicht Genf und erst recht nicht Bangkok. Die UNO-Diplomatie ist noch komplizierter und „politischer“ als diejenige der Weltgesundheitsorganisation. Dies zeigte sich schon in einem ersten Entwurf der Abschlusserklärung des High Level Meetings vom Mai 2023 und erst recht im (vorläufigen) „endgültigen Entwurf“. – die Verhandlungen wurden Ende August abgebrochen, da sich die Verhandlungsführer:innen in einigen Schlüsselpunkten, so etwa bezüglich sexueller und reproduktiver Rechte, nicht einigen konnten.
Kurz, prägnant und handlungsorientiert sollte die Abschlusserklärung diesmal sein, mit klaren und messbaren Zielvorgaben. Das war jedenfalls das erklärte Ziel des WHO-Sekretariats.
Foto: United Nations Photo/UN Photo/JC McIlwaine/flickr.com; CC BY-NC-ND 2.0<br>
Foto: United Nations Photo/UN Photo/JC McIlwaine/flickr.com; CC BY-NC-ND 2.0


Rückt UHC in weite Ferne?

Der vom UNO-Generalsekretär publizierte Entwurf der Abschlusserklärung beginnt damit, dass die Mitgliedstaaten einige Verweise zu früheren Erklärungen und Stellungnahmen sowie weitere Grundsätze „anerkennen“ und „bekräftigen“ (Absätze 1-17), gefolgt von der Äusserung „tiefer Besorgnis“ der Mitgliedstaaten über den mangelnden Fortschritt und die zunehmende Ungleichheit (Absätze 18- 46), und bekräftigt diesdann mit einer endlos langen Liste von Ambitionen bzw. „Verpflichtungen“ oder Aktionspunkten (Absätze 46 bis 109) (Political Declaration of the High-level Meeting on UHC, 2023).

Trotz der umfassenden Einleitung zu diesem Abschnitt sind die in diesem Abschnitt dargelegten Verpflichtungen schwach und vage. Alle Formulierungen zu brennenden und kontroversen Themen wurden entweder gestrichen oder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, oft aus der Abschlusserklärung von 2019 oder anderen UNO-Dokumenten, verwässert. Auch sind die „Aktionspunkte“ nicht wirklich handlungsorientiert, es fehlen konkrete Verpflichtungen oder Ziele, die zu erreichen sind. Somit ermöglichen sie auch keine Überwachung und können nicht dazu verwendet werden, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Die wenigen, sehr begrenzten Fortschritte in der Sprachregelung, wie etwa die Hinzufügung des Begriffs „soziale Teilhabe“ oder eine deutlichere Sprache bezüglich der Rechte des Gesundheitspersonal, werden in unbestrittenen Bereichen erzielt, während in anderen Bereichen, etwa bezüglich Gender und Rechte der Frauen, die „Verpflichtungen“ noch schwächer formuliert sind als vor vier Jahren.

Alle Formulierungen zu brennenden und kontroversen Themen wurden entweder gestrichen oder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, oft aus der Abschlusserklärung von 2019 oder anderen UNO-Dokumenten, verwässert.

Aufgrund unserer Erfahrungen mit dem High-Level Meeting von 2019 müssen wir somit davon ausgehen, dass dieselben UN-Mitgliedsstaaten sich nicht mehr um ihre eigenen netten und vagen Erklärungen und Verpflichtungen kümmern werden, sobald sie den UNO-Sitzungsraum verlassen haben, um eine weitere „bahnbrechende Erklärung“ zu feiern, sondern weiterhin gute Geschäfte und nationalen Egoismus fördern werden, in einer im tiefsten Inneren geteilten und ungerechten Welt. Das ist umso bedauerlicher, als in diesem Jahr vom WHO-Generaldirektor und von der internationalen Partnerschaft „UHC2030“ durchaus Aktionspläne zur Umsetzung und Durchsetzung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung vorgelegt wurden, die handlungsorientiert und messbar sind (UHC2030).

Zumindest gibt es ganz am Ende der 109 Absätze der politischen Erklärungen einen klaren Aktionspunkt: „Ein hochrangiges Treffen zur allgemeinen Gesundheitsversorgung im Jahr 2027 in New York einzuberufen.“

Auf die Fragen nach den Erwartungen, ob es die WHO schaffen wird, Gesundheit wieder auf die „höchste politische Ebene“ der UNO-Generalversammlung zu bringen, lautet die einfache Antwort somit leider: „Nein, keine Erwartungen, es ist hoffnungslos.“ Aber vielleicht gibt es ja, in der Woche der „High-Level Meetings“, ein paar interessante und relevante Nebenveranstaltungen und gutes Networking für diejenigen, die in New York sind, und vielleicht hört man irgendwo anders im UN-Gebäude eine junge Frau rufen: „Wie könnt Ihr es wagen!“ Wir werden diesen Ruf nicht hören. Wir sind diesmal nicht mit dabei.

Auf die Fragen nach den Erwartungen, ob es die WHO schaffen wird, Gesundheit wieder auf die „höchste politische Ebene“ der UNO-Generalversammlung zu bringen, lautet die einfache Antwort somit leider: „Nein, keine Erwartungen, es ist hoffnungslos.“

Referenzen
Thomas Schwarz
Thomas Schwarz ist seit 2008 Executive Secretary des Netzwerks Medicus Mundi International und war zuvor Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz. Er arbeitet und publiziert zu Themen der international Gesundheitszusammenarbeit und -gouvernanz. Email