Schädliche Tabakprodukte für Entwicklungsländer

Harare (Photo: © A.Davey/flickr)

 

In der vergangenen Sommersession hat der Ständerat das Tabakproduktegesetz (TPG) beraten und an den Bundesrat zurückgewiesen. Den Befürworterinnen und Befürwortern der Rückweisung ging das Gesetz viel zu weit. Sie sahen darin einen zu starken staatlichen Eingriff in die Marktwirtschaft, indem Werbung und Sponsoring für Tabakprodukte zu stark eingeschränkt würden. Ausserdem monierten sie eine zu geringe Differenzierung zwischen unterschiedlich schädlichen Tabakprodukten. Mit der Rückweisung an den Bundesrat haben sie den Auftrag an den Bundesrat verbunden, das Gesetz auf den Kinder- und Jugendschutz zu beschränken. Sie verhinderten damit gleichzeitig eine materielle Diskussion des Gesetzes, mit welchem sie durchaus gestaltend auf das Gesetz hätten Einfluss nehmen können.

Internationale Bemühungen unterlaufen

Interessanterweise waren auch die Befürworterinnen und Befürworter des neuen Gesetzes mit dem bundesrätlichen Vorschlag nicht glücklich. Die Minderheit im Ständerat übernahm die Argumentation verschiedener Gesundheitsorganisationen, die in der Vernehmlassung darauf hingewiesen hatten, dass der bundesrätliche Vorschlag einer der liberalsten, zugunsten der Gesundheitsprävention am wenigsten weitgehenden Vorschläge in ganz Europa sei.

Zwei weitere Punkte kritisierten diese Kreise zu recht: Der Vorschlag des Bundesrates sieht von einem Verbot ab, aus der Schweiz Zigaretten in Entwicklungsländer zu exportieren, welche bei uns selbst nicht zum Verkauf zugelassen sind. Die Schweiz erlaubt damit nach wie vor den Export von Produkten, die sie ihrer eigenen Bevölkerung nicht mehr zumuten will. Solche Zigaretten mit massiv höherem Teer- und Nikotingehalt führen dazu, dass bei den Raucherinnen und Rauchern eine stärkere Abhängigkeit entsteht. Zudem sieht der Gesetzesvorschlag keine Rückverfolgbarkeitsnormen vor, wie es das EU-Parlament kürzlich beschlossen hat. Ein solches Track-and-Trace-System ist im globalen Kampf gegen den Zigarettenschmuggel ganz zentral.

Doppelspiel der Schweiz

Mit der Rückweisung des Tabakproduktegesetzes und dem damit verbundenen Auftrag, das Gesetz auf den Kinder- und Jugendschutz zu beschränken, hat sich der Ständerat hinter die Strategie der Tabakindustrie gestellt, einen Beitritt der Schweiz zum Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zu verhindern. Der Ständerat hat die Interessen internationaler Tabakkonzerne wie Philip Morris, British American Tobacco oder Japan Tobacco International, die die Schweiz als Konzernsitze und Produktionsstandort nutzen, höher gewichtet als den Gesundheitsschutz der eigenen Bevölkerung und die Bemühungen der globalen Gesundheitspolitik.

Damit betreibt die Schweiz ein Doppelspiel: Sie will einerseits in Genf den Sitz der Weltgesundheitsorganisation haben und erlaubt andererseits Produktion und Export von Tabakprodukten, die in Entwicklungsländern grosse Gesundheitsschäden verursachen. Damit droht sie sich aber komplett ins Abseits zu manövrieren. Der Schweiz wird diese Verantwortungslosigkeit gegenüber der globalen Gesundheit einmal einen grossen Reputationsschaden eintragen. Es ist nun am Nationalrat dies zu verhindern.

 

Ressourcen

Tabakproduktegesetz, Bundesamt für Gesundheit: http://www.bag.admin.ch/themen/drogen/00041/14741/index.html?lang=de

Markus Brotschi: "Das wird der Schweiz ein Reputationsproblem eintragen." Präventivmediziner Felix Gutzwiller hält die Argumente gegen das Tabakproduktegesetz für vorgeschoben. Tagesanzeiger.ch, 15. Juni 2016. http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Das-wird-der-Schweiz-ein-Reputationsproblem-eintragen/story/30101077

Debatte zum Tabakproduktegesetz im Ständerat: https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/amtliches-bulletin/amtliches-bulletin-die-verhandlungen?SubjectId=37390

Felix Gutzwiller
Felix Gutzwiller leitete während 25 Jahren das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Uni Zürich. Für die Freisinnig Demokratische Partei (FDP) war er von 1999 bis 2007 Nationalrat. Darauf vertrat er bis 2015 den Kanton Zürich im Ständerat.