Der Nutzen der Kariesprophylaxe für die Schulkinder Afrikas

Das Zahnteufelchen ist auch in Afrika zu Hause

Von Michael Willi

Angesichts steigender Bevölkerungszahlen, veränderter Ess- und Trinkgewohnheiten und zahnmedizinischer Unterversorgung sind die Erkrankungen der Zähne und des Parodonts in Afrika auf dem Vormarsch. Das einzig wirksame Instrument, um langfristig eine Trendwende einzuleiten, ist eine massive Kariesprophylaxe in den Grundschulen.

Lesezeit 4 min.

Die Schweiz gehört zu den wenigen Ländern der Welt, in denen jedes Schulkind vom ersten bis zum letzten Schultag zahnmedizinisch betreut wird. Zahnbürstinstruktionen und Kariesaufklärung in der Grundschule, klassenweises Einbürsten hochkonzentrierter Fluoride sowie jährliche Kontrollen durch den Zahnarzt haben in den letzten dreissig Jahren zu einem massiven Rückgang der Karies bei Schulkindern geführt. Die Wirksamkeit dieser Massnahmen zur Prophylaxe der Karies ist vielfach wissenschaftlich erforscht und dokumentiert worden. Für Schweizer Schulkinder ist es heute selbstverständlich, mit einem karies- und oft auch füllungsfreien Gebiss die Schule zu verlassen. Das Bewusstsein für Zahngesundheit und Mundhygiene hat zur Folge, dass ein grosser Teil der ehemaligen Schüler auch im Erwachsenenalter regelmässige zahnärztliche Betreuung wünscht.

In den Ländern der dritten Welt hat die Zahngesundheit angesichts der vielfältigen allgemeinmedizinischen Probleme keine Priorität. In einigen Ländern Afrikas, wo Secours Dentaire International hauptsächlich aktiv ist, gibt es zwar Prophylaxeprogramme auf dem Papier. In Tansania zum Beispiel hat die Regierung mit Hilfe dänischer Zahnärzte ein Handbuch entwickelt, in dem Prophylaxelektionen beschrieben werden. Diese sollten von Lehrpersonen im Rahmen des Lehrplanes unterrichtet werden. Unsere Erfahrungen haben aber gezeigt, dass eine Vermittlung dieser Inhalte praktisch nicht stattfindet, zumal die Lehrpersonen selber kaum über das notwendige Wissen verfügen.

Ebenfalls aufgrund eigener Untersuchungen wissen wir, dass etwa die Hälfte der Schulkinder südlich der Sahara ein Gebiss mit Kariesaktivität zeigen. Die Zahnzerstörungen sind mit zunehmendem Alter meist derart, dass nur noch Zahnentfernungen als therapeutische Massnahme in Frage kommen. Die meisten Kinder bleiben jedoch unbehandelt, was oft zu Folgeerscheinungen wie Abszessen, Osteomyelitis oder Zystenbildung führt. In vielen, vor allem ländlichen Gegenden Afrikas ist die Zahnärztedichte so gering (1 Zahnarzt auf 200'000 Einwohner ist keine Seltenheit), dass nur wenige Menschen behandelt werden können. Die Einrichtung der wenigen Zahnarztpraxen ist zudem meist so rudimentär, dass nur Extraktionsbehandlungen durchgeführt werden können. In den nächsten Jahren ist eher mit einer Verschlechterung der Situation zu rechnen, da die Erhöhung der Zahnärztezahl durch Ausbildung nicht mit dem enormen Bevölkerungswachstum Schritt halten kann.

All diese Tatsachen zeigen deutlich, dass es mittel- und langfristig für die Verbesserung der oralen Gesundheit in Afrika gar keine andere Lösung gibt als der massive Einsatz der Prophylaxe. Zielpublikum sind dabei die Kinder der Grundschule, weil einerseits die Kariesgefahr und andererseits der therapeutische Nutzen in diesem Alter besonders gross sind. Zudem kann die Prophylaxe via Schulen flächendeckend eingesetzt werden und ist somit für die lokale Bevölkerung kostenlos. Die Lektionen können, wie übrigens auch in der Schweiz praktiziert, durch entsprechend geschultes Hilfspersonal vermittelt werden. Diese Massnahme entlastet das therapeutisch tätige Klinikpersonal und hilft mit, die Eigenfinanzierung der Kliniken zu verbessern.

Ähnliche Prioritäten und Programme wie in der Schweiz

Die von Secours Dentaire International geförderten Prophylaxeprogramme, die klassenweise in den Grundschulen durchgeführt werden, sind ähnlich wie in der Schweiz aufgebaut:

1. Prophylaxelektion: In einer Schulstunde werden die Kinder über die Funktion der Zähne und die Wichtigkeit eines gesunden Gebisses aufgeklärt. Mittels lokal angefertigten Postern, Liedern und Fragespielen werden schädliche und ungefährliche Nahrungsmittel eruiert. Selbstverständlich werden dabei die lokalen Essgewohnheiten berücksichtigt. 1997 wurden in allen SDI-Projekten zusammen in 452 Lektionen über 90'000 Kinder unterrichtet.

2. Zahnbürstdemonstrationen: Die Kinder lernen die korrekte Anwendung der Zahnbürste. Obwohl in gewissen Gebieten Afrikas traditionell das Zahnholz verwendet wird, haben wir uns entschieden, dank der besseren Effizienz und der geringeren Keimbesiedelung den Gebrauch einer Zahnbürste zu empfehlen. Die Anschaffungskosten sind in der Regel gering. Allerdings ist aus Gründen der potentiellen Keimübertragung besonderer Wert auf den Verzicht des Austausches von Zahnbürsten innerhalb der Familie zu legen.

3. Gebissuntersuchungen: Die Schulkinder werden entweder vor Ort in den Schulen oder anlässlich eines klassenweisen Erscheinens in der Zahnklinik vom zuständigen Klinikchef (Zahnarzt oder zahnärztlicher Therapeut) untersucht. Dabei wird die Behandlungsnotwendigkeit eruiert. Die Kinder, die einer Therapie bedürfen, erhalten eine schriftliche Information zuhanden der Eltern, in der diese aufgefordert werden, das Kind in der Klinik behandeln zu lassen. Obwohl diese Therapie sehr kostengünstig oder gar kostenlos angeboten wird, lässt erst ein geringer Anteil der Eltern ihre Kinder zahnärztlich behandeln. Dieser Anteil ist in städtischen Gebieten höher als auf dem Lande, wo meist bittere Armut herrscht.

Unumgängliche (Quer-)Subventionierung

In Afrika wie auch in der Schweiz kann die Lancierung der Prophylaxe nicht ohne finanziellen Aufwand durchgeführt werden. Kosten entstehen durch die Gehälter des Prophylaxepersonals, Drucksachen sowie Transport, Verpflegung und Unterbringung bei Einsätzen ausserhalb der Kliniken. Aus diesem Aufwand resultiert nur ein ideeller Ertrag in Form von hoffentlich besserer oraler Gesundheit der kommenden Generationen, denn die Vorbeugung von heute erspart teure Behandlungskosten von morgen. Es ist deshalb unumgänglich, die Prophylaxeleistungen zu subventionieren. Die Gelder hierfür stammen bisher von öffentlichen oder privaten Geldgebern in der Schweiz, die Secours Dentaire International als eine nicht gewinnorientierte Organisation unterstützen. Es ist aber das langfristige Ziel von SDI, dass die stationären Kliniken ausreichend Gewinn erwirtschaften, um damit die Prophylaxe finanzieren zu können. In Kinshasa und Cotonou ist dieses Ziel bereits verwirklicht, denn die Kliniken dort sind finanziell autonom. Anders sieht es in den Kliniken der ländlichen Gebiete Afrikas aus. Die Patienten dort sind meist sehr arm und können die Behandlungskosten kaum bezahlen. Zumindest mittelfristig können wir deshalb nicht mit einer Eigenfinanzierung rechnen und müssen deshalb Prophylaxeprojekte finanziell unterstützen.

Die wichtigste Voraussetzung ist jedoch auch in diesen Gebieten das Funktionieren der Basisklinik. Sie wird jährlich mindestens einmal vom SDI-Projektleiter, der während des gesamten Jahres Ansprechpartner in Europa für das afrikanische Klinikteam ist, besucht. Nur so ist die Kontinuität von technischer, materieller und ideeller Unterstützung gesichert, was uns gleichzeitig eine möglichst hohe und gleichbleibende Qualität der zahnärztlichen Leistungen vor Ort garantiert.

Dr. med. dent. Michael Willi-Burkart, Emmenbrücke, ist verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit von SDI in der deutschen Schweiz