Schwangerschaftsabbruch unter risikoreichen Bedingungen (unsafe abortion)

Ein Problem der Mortalität, nicht der Moral

Von Susanne Rohner

Weltweit entscheiden sich jährlich 46 Millionen Frauen, die ungewollt schwanger sind, für einen Schwangerschaftsabbruch. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO bedeutet dies für 19 Millionen dieser Frauen einen risikoreichen Eingriff, da dieser entweder von medizinisch nicht ausgebildeten Personen oder in einer Umgebung ohne medizinische Minimalstandards vorgenommen wird. Für 68'000 Frauen endet der Eingriff tödlich, während hunderttausende Frauen zum teil langfristig an gesundheitlichen Komplikationen leiden. Betroffen sind aber nicht nur diese Frauen, sondern auch ganze Familien: die Hälfte der Todesopfer hat bereits ein oder mehrere Kinder.

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Rund 95 Prozent der von einem Schwangerschaftsabbruch unter risikoreichen Bedingungen betroffenen Frauen leben in den ärmsten Ländern der Welt. Am häufigsten werden risikoreiche Schwangerschaftsabbrüche in Ländern Afrikas vorgenommen, wo von 100'000 Abtreibungen 680 tödlich enden; im Durchschnitt aller Entwicklungsländer sind es nach Zahlen der International Planned Parenthood Federation (IPPF) 330 von 100'000.

Armut ist somit der Hauptfaktor für risikoreiche Schwangerschaftsabbrüche: Armut ist sowohl deren Ursache als auch verantwortlich für die schwerwiegenden Folgen. Frauen in den ärmsten Ländern der Welt haben oft nicht die Möglichkeit zu bestimmen, wann sie schwanger werden wollen. Von den Folgen einer ungewollten Schwangerschaft sind sie wiederum besonders stark betroffen, und zwar in finanzieller, sozialer und gesundheitlicher Hinsicht. Für viele von ihnen bleibt schliesslich das lebensbedrohliche Risiko eines unfachgemäss durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs als einziger Ausweg. Für IPPF stellt diese eigentlich vermeidbare menschliche Tragödie, in der sich die Ungleichheit zwischen Nord-Süd deutlich zeige, eines der am meisten vernachlässigten Probleme der öffentlichen Gesundheit und der Menschenrechte dar.

Es gibt verschiedene Gründe, dass es zu einer ungewollten Schwangerschaft kommt: fehlende Informationen über Möglichkeiten der Familienplanung, fehlende Verfügbarkeit oder falsche Anwendung von Verhütungsmitteln, sexuelle Gewalt. Auch die Gründe, weshalb sich Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sind vielfältig: persönliche, finanzielle oder soziale Gründe, religiöse und kulturelle Normen, ein zu kurzer Abstand zwischen den Schwangerschaften, der Entschluss, zuerst die Ausbildung zu beenden, fehlender Partner oder Konflikte mit dem Partner, das Alter. Gemäss Zahlen der WHO gehören in Afrika 59 Prozent der Frauen, die unter risikoreichen Bedingungen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren an.
Weltweit macht die Zahl der Todesfälle aufgrund eines medizinisch unfachgemäss durchgeführten Schwangerschaftsabbruchs 13 Prozent aller Müttersterbefälle aus. Die internationale Gemeinschaft hat sich mit dem UN-Millenniumsziel, die Gesundheit der Mütter zu verbessern, und der Zielvorgabe, die Müttersterblichkeit bis 2015 um drei Viertel zu senken, eigentlich der Lösung des Problems verpflichtet.

Egal ob legal oder illegal...

Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist allerdings in den meisten Ländern der Welt ein viel diskutiertes und sehr umstrittenes Thema. Dessen ungeachtet zeigt die Realität aber, dass Frauen, wenn sie sich für den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft entscheiden, diesen Entschluss umsetzen, und zwar unabhängig davon, ob sie dies legal oder illegal tun müssen, und ob ein solcher unter medizinisch sicheren Bedingungen oder risikoreich vorgenommen werden kann. So weist zum Beispiel Lateinamerika, wo in den meisten Ländern Schwangerschaftsabbrüche illegal sind, im Vergleich zu den übrigen Ländern der Welt sehr hohe Raten auf. Ein Verbot des Schwangerschaftsabbruchs führt somit nicht zu einem Rückgang der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche, sondern macht diese nur gefährlicher. Den höchsten Preis zahlen die Ärmsten der Welt, die sogar ihr Leben riskieren. Angesichts der erschreckend hohen Zahlen der Opfer steht bei dieser Problematik somit nicht die Frage der Moral, sondern die der Mortalität im Zentrum.

IPPF fordert Massnahmen auf mehreren Ebenen, um solche unter risikoreichen Bedingungen durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche zu verhindern: Bessere Bildung, der Zugang für alle zu Informationen über Familienplanung, die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln und eine Verbesserung der Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft sollen zum einen dazu beitragen, die Zahl ungewünschter Schwangerschaften zu senken. Besserer Zugang zu medizinischen Leistungen und die Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch legal und unter medizinisch guten Bedingungen vorzunehmen, sollen zum anderen dazu beitragen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht mehr unter gesundheits- oder sogar lebensgefährdenden Bedingungen durchgeführt werden muss und betroffene Frauen besser medizinisch versorgt sind.

Im rauen Gegenwind voran

Um solche Ideen auch umsetzen zu können, hat IPPF unter Beteiligung der britischen Regierung im vergangenen Februar den Global Safe Abortion Fund lanciert (heute als Safe Abortion Action Fund bezeichnet – siehe Interview). Mit Unterstützung von Ländern wie Dänemark, Norwegen und Schweden sind seither Gelder in der Höhe von 10 Millionen USD zusammengekommen. Mit dem Fonds sollen Projekte finanziell unterstützt werden, die verbesserten Zugang zu medizinisch sicherer Abtreibung ermöglichen.

Der Fonds soll insbesondere auch dazu beitragen, dass Organisationen, deren Arbeit durch die sogenannte Global Gag Rule der USA beeinträchtigt wurde, ihre Projekte weiterführen können: Die US-Regierung hatte 2001 die alte Regel wieder eingeführt, wonach ausländischen NGOs die finanzielle Unterstützung gestrichen wird, falls diese Abtreibungen vornehmen oder aktiv das Recht auf Abtreibung verteidigen. Den Organisationen ist es auch nicht erlaubt, mit eigenem Geld auf diesem Gebiet tätig zu sein. Weltweit hatte die Global Gag Rule einschneidende Auswirkungen: nicht nur die Arbeit im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbruch litt darunter, sondern auch die im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit insgesamt, haben doch viele Organisationen, die auch allgemein auf dem Gebiet der Familienplanung tätig waren (darunter IPPF), die Unterstützung verloren.

Mit dem Global Safe Abortion Fund soll sowohl dieser Rückschritt aufgeholt als auch ein Beitrag geleistet werden, dass das UNO-Millenniumsziel zur Verbesserung der Gesundheit der Mütter umgesetzt wird.

*Susanne Rohner ist Verantwortliche Deutschschweiz bei PLANeS, dem schweizerischen Dachverband der Beratungsstellen für Familienplanung, Schwangerschaft, Sexualität und Sexualerziehung. PLANeS engagiert sich in der Schweiz für die Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und vertritt die Schweiz in der International Planned Parenthood Federation (IPPF, www.ippf.org), einer nichtstaatliche Organisation mit einem Netzwerk von 150 nationalen Mitgliedorganisationen, die im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit tätig sind. Kontakt: susanne.rohner@plan-s.ch, www.plan-s.ch.