Zusammenarbeit von SolidarMed und DEZA in Moçambique

Wenn die Gesundheitszusammenarbeit auf den Staat setzt...

Von Jochen Ehmer und Andrea Studer

Moçambique ist ein Schwerpunktland der schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit. Im Gesundheitsbereich arbeitet die DEZA eng mit der moçambikanischen Regierung und anderen Gebern zusammen. Sie finanziert die Sektorbudgethilfe mit. Neben diesem Engagement auf Makroebene, unterstützt und finanziert die DEZA Projekte mit der lokalen Bevölkerung in der Provinz Cabo Delgado, in Zusammenarbeit mit SolidarMed. Was sind die Hintergründe, Ziele und Herausforderungen dieses Ansatzes?

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Koordination und Zusammenarbeit mit den nationalen Partnern und anderen Gebern (multilateral und bilateral) existierten schon lange vor der Paris Deklaration, wurden aber in den letzen Jahren sicherlich systematischer angegangen und umgesetzt. Im Kontext von Mocambique arbeitet die Schweiz schon seit Anfang der 90er Jahre eng mit dem Gesundheitsministerium und anderen Gebern zusammen und war wesentlich am Aufbau der Koordinationsmechanismen (Sector Wide Approach, SWAp) wie auch der sektoriellen Budgethilfe beteiligt.

Harmonisierung und „Alignment“ sind in diesem Falle keine Modeströmungen. Aufgrund der speziellen Situation nach dem verheerenden Bürgerkrieg und den grösstenteils zerstörten Gesundheits- und Infrastrukturen wurde hier ein Weg gesucht, um möglichst schnell und effizient den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen für die Bevölkerung zu verbessern. Davon zu sprechen, dass der Sector Wide Approach und die Budgethilfe nun die Lösung aller anstehender Probleme und Bedürfnisse sei, wäre aber dennoch vermessen.

Eine Publikation des HLSP Institute in London aus dem Jahre 2006 hat die positiven Resultate der SWAp-Prozesse und der sektoriellen Budgethilfe analysiert. Die Stärkung des nationalen Gesundheitssystems, insbesondere in den Bereichen strategische Planung, Budgetprozesse und Monitoring werden zwar als positives Resultat gewertet, jedoch relativiert hinsichtlich der Umsetzungskapazität dieser Strategien insbesondere in Verbindung mit den langsamen Dezentralisierungsprozessen.

DEZA: Politikdialog und Finanzmanagement im Gesundheitsbereich

Der Politikdialog im Gesundheitsbereich in Moçambique, so koordiniert er ist, braucht Zeit und ist nicht immer effizient. Der Anspruch, möglichst alle Beteiligten an Bord zu haben, ist zeitaufwendig und erhöht die Komplexität. Auch die Arbeit in den Arbeitsgruppen absorbiert viele Ressourcen und wirft Fragen auf, inwiefern hier der Realitätsbezug noch gegeben ist.

Positive und wichtige Ziele konnten im Finanzmanagement erreicht werden, die Kapazitäten und Kompetenzen im Monitoring der Finanzen sind jedoch immer noch sehr bescheiden und haben sich durch die vom Minister angeordnete Entlassung von technischen Mitarbeitern noch zusätzlich verschlechtert.

Das Budget im Gesundheitsbereich hat sich über die letzten Jahre sowohl von Geber- als auch von Regierungsseite von 165 Mio. US$ im Jahr 2001 auf 365 Mio. US$ im Jahr 2005 signifikant erhöht. Vertikale Finanzierungsmechanismen konnten zumindest teilweise (Global Fund) integriert werden. Für das Jahr 2008 wird eine Steigerung um 60% der vertikal finanzierten Aktivitäten erwartet. Dies entspricht einem Volumen von ca. 250 Mio. US-$, etwa gleich viel wie das Staatsbudget von 138 Mio. US-$ und die Sektorhilfe 132 Mio. US-$ (inklusive Global Fund) zusammen.

Die Transaktionskosten konnten in gewissen Bereichen, insbesondere auf der Seite der mocambiquanischen Regierung, reduziert werden, im Grossen und Ganzen blieben sie aber stabil. Bezüglich der Arbeitsgruppensitzungen oder der komplexen Reviewprozesse haben sich sogar erhöht.

Die Fortschritte und positiven Resultate, die auf internationaler Ebene über Moçambique kommuniziert werden und mit Fakten, insbesondere Indikatoren unterlegt werden, sind sicherlich beeindruckend. Doch sie müssen mit entsprechender Vorsicht betrachtet werden, da die Qualität der Datenlage teilweise sehr schwach ist. So ist Moçambique beispielsweise eines der Länder, die der Weltgesundheitsorganisation WHO noch nicht einmal eine jährliche Todesursachenstatistik vorlegen.

Oft werden auch nur aggregierte Daten präsentiert, welche die grossen Unterschiede von städtischen zu ländlichen Gebieten sowie zwischen Norden und Süden – eine der grossen Herausforderungen für Moçambique – nicht abbilden. Um Entscheidungen auf Evidenz zu begründen, um die Ergebnisse des SWAp zu messen und um Strategien anzupassen, ist die Verbesserung der Datenerfassung wie auch der Datenaufarbeitung und -auswertung deshalb eine Priorität.

Aspekte wie diese, verpflichten die Schweiz und die DEZA mit ihrem spezifischen Mandat sich für die Ärmsten der Armen einzusetzen, nicht nur auf der Ebene des Politikdialogs in Maputo zu arbeiten und die entsprechenden Institutionen zu stärken, sondern konkrete Unterstützung und Aktivitäten auf dem Feld bei den benachteiligten und schwachen Bevölkerungsgruppen zu finanzieren und zusammen mit Partnerorganisationen umzusetzen.

Strategien und erwartete Resultate in den Plänen und Papieren des Gesundheitsministeriums und der Gebergemeinschaft einerseits und die Realität der Arbeit von SolidarMed in den Distrikten Chiure und Ancuabe andererseits klaffen weit auseinander. Zu Recht wird die Frage gestellt: Wann kommt dieses „viele Geld“ endlich bei den Ärmsten auf dem Lande an?

In den letzten Jahren konnte die DEZA mit dem speziellen, durch die SWAp-Geber finanzierten „Provincial Common Fund“ erreichen, dass zumindest auf Provinzebene das Geld anfangs Jahr verfügbar ist, um die Basisstrukturen und die wiederkehrenden Kosten, wie die Löhne, zu bezahlen. Doch ohne entsprechende Kapazitäten und Kompetenzen auf Provinzebene und insbesondere auf Distriktsebene können Strategien und Ressourcen nicht effizient und bedarfsgerecht umgesetzt, Korruption nicht vermindert und die gesetzten Ziele nicht erreicht werden.

SolidarMed: Bevölkerung erarbeitet selbst Verbesserungsvorschläge

Es geht nicht nur darum, Finanzen zu verwalten, Personal zu stellen oder Gesundheitsdienstleistungen zu erbringen, auch die Qualität der Dienstleistungen muss gewährleistet sein. Um diese Ziele zu erreichen, braucht es eine starke Zivilgesellschaft, eine aufgeklärte und befähigte Bevölkerung, die nicht nur von den Dienstleistungen Gebrauch macht, sondern diese auch fordert und bei schlechter Qualität kritisiert. Im Entwicklungsjargon sprechen wir von „Accountability“.

Die Projekte von SolidarMed setzen unter anderem hier an. Im Austausch mit der lokalen Bevölkerung und unter Einbezug lokaler Ressourcen fördert SolidarMed Kompetenzen und Kapazitäten. Nicht nur, dass die Bevölkerung in zum Teil sehr isolierten Gebieten Zugang zu Informationen und Wissen erhält, sondern indem sie selber Vorschläge und Konzepte mit der Unterstützung von SolidarMed erarbeitet, um die Situation in den Dörfern zu verbessern. Dabei spricht SolidarMed insbesondere die Frauen und Kinder an, als sehr verwundbare Elemente der ländlichen mocambiquanischen Gesellschaft.

Im Projekt Wiwanana behandelt SolidarMed gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung Fragen zu den häufigsten Krankheiten und deren Verminderung, wie zum Beispiel Durchfall, Fieber oder HIV. Information und Kommunikation werden dabei verbunden mit Massnahmen zur Gesundheitsprävention, erleichterten Zugangs zu formellen Gesundheitsstrukturen, Medikamenten oder Moskitonetzen. Die Teilhabe der Bevölkerung ist hierbei das zugrundeliegende Arbeitsprinzip, d.h. die Bevölkerung ist der eigentliche Träger des Projektes, setzt ihre Schwerpunkte selbst, bestimmt die Themen und entwickelt Initiativen. Die Rolle des Projektes ist die eines Vermittlers und Förderers.

Dieser Ansatz erfordert den Einbezug, aber auch die Hinterfragung von tradiertem traditionellem Wissen und die enge Kooperation mit HeilerInnen, traditionellen Hebammen oder BeraterInnen bei Initiationsriten.

"Grâce à Wiwanana, j'ai bénéficié d'une formation de sage-femme, et depuis j'ai changé certaines habitudes qui étaient induites par la communauté pendant mon travail d'aide à l'accouchement: je n'accepte plus que les membres de la famille obligent les femmes à dénoncer leurs amants pendant l'accouchement, parce qu'en réalité il n'existe pas de grossesses conjointes. Hier, le 1er août, on est venu me chercher pour aller aider à un accouchement. A mon arrivée, la famille était déjà en train d'obliger la femme à me dénoncer ses amants, parce qu'elle n'était pas mariée. Mais je m'y suis opposée. Et j'ai pu leur expliquer qu'une grossesse n'est jamais conjointe. Et, effectivement, la femme a eu un accouchement normal, sans complication et sans que ça ne dure trop longtemps. Et ce n'est pas tout: les habitants de mon village valorisent à présent le centre de santé. Ils y vont quand ils ont un problème de santé, ce qui n'était pas le cas avant que Wiwanana ne vienne dans notre village. Les gens, pour n'importe quel problème de santé, allaient voir le guérisseur, et c'était tout. Guérir ou mourir, ça se terminait là. Je considère ce changement comme très important, parce que, avec la mise en pratique des messages de Wiwanana, le nombre de décès de femmes en couches a effectivement diminué." Velicia Macassima, Hebamme in Naphela, Ocua, am 2. August 2006

Informationen und Wissen aus spezifischen Projekten wie diesem sind entscheidend für einen sogenannten „evidence based“ Politikdialog. Dabei fliessen Erfahrungen wie die von Velicia Macassima mit ein. Vor allem aber müssen die Resultate systematisiert werden, um ihnen auf Makroebene Gewicht zu verleihen und entsprechend die Prioritäten und Politiken beeinflussen zu können.

Schwierige Wege in einem der ärmsten Länder

Die Zusammenarbeit von SolidarMed und DEZA steckt dabei noch in den Kinderschuhen. Ziel der Partnerschaft ist es, dass sich dadurch einerseits die Situation von Velicia und der Bevölkerung in Ocua verändert, insbesondere durch die Mobilisierung von eigenen Ressourcen der lokalen Gemeinschaft. Gleichzeitig wird andererseits das formelle Gesundheitssystem auf der Makroebene gestärkt, um die Dienstleistungen auch auf dezentraler Ebene zu verbessern. Um diesen Ausbau entlang den Realitäten und Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung auszurichten, braucht es Informationen, Resultate und Erfahrungen aus dem Feld für den Politikdialog.

Mit den beschränkten finanziellen Mitteln, welche der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Moçambique zur Verfügung stehen, müssen innovative, zielgerichtete Initiativen unterstützt werden, welche von der Regierung aufgenommen und in angepasster Form dupliziert werden können. Der Weg zu diesen Zielen ist für alle Beteiligten noch weit, die Herausforderungen an die mocambiquanische Regierung und Bevölkerung sind enorm. Die aktuellen Indikatoren zeigen dies auf: Auch wenn wir von signifikanten Verbesserungen und Erfolgen sprechen, bleibt Mocambique eines der ärmsten Länder der Welt mit schlechten Gesundheitsindikatoren. Dazu kommt die zusätzliche Belastung des Gesundheitssystems durch HIV/AIDS, mit einer geschätzten Prävalenz von mindestens 16 Prozent (in der Altersgruppe 15-49 Jahre; vgl. UNAIDS Epidemic Update 2007).

HIV/AIDS, Malaria und TB tragen massgeblich zur hohen Krankheitslast in Mocambique bei; internationale, staatliche und nichtstaatliche Akteure unterstützen Mocambique deshalb im Kampf gegen diese Krankheiten. Viele der sogenannten vertikalen Finanzierungsmechanismen, die in den letzten Jahren gegründet wurden, leisten einen entscheidenden und wichtigen Beitrag zu Verbesserung der Gesundheitssituation im Südlichen Afrika. Insbesondere der Zugang zur antiretroviralen Behandlung von Aids wurde in den letzen fünf Jahren verbessert. In vielen Fällen fliessen diese Gelder jedoch parallel zum formellen Gesundheitssystemen und können zu einer Schwächung bzw. noch grösseren Belastung der fragilen Strukturen führen.

Dennoch: Die Erkenntnis, dass Programme mit sektorspezifischer Zielsetzung immer auch das Gesundheitssystem als Ganzes stärken sollten (im Geiste der Erklärung von Alma Ata) wächst. Auch zeichnet sich in Mocambique eine verbesserte Koordination der verschiedenen Akteure ab. So konnte der Global Fund to fight Aids Malaria and TB (GFATM) als Partner im SWAp gewonnen werden und trägt durch sektorielle Budgethilfe zur integrativen Stärkung der Gesundheitsstrukturen bei. Weitere vertikale Projektgeber und Nichtregierungsorganisationen sitzen am SWAp-Tisch und arbeiten an einer vermehrten Koordination.

So einfach und klar die Zielsetzungen formuliert sind, so komplex und lang sind die Wege und Lösungen dazu. Die vorgestellten Ansätze der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit in Moçambique, einerseits der staatlichen durch die DEZA andererseits der nichtstaatlichen durch Projekte verschiedener schweizerischer NGOs wie SolidarMed wollen einen kleinen aber wichtigen Beitrag auf diesem Weg leisten und sowohl die Bevölkerung wie auch die politischen Entscheidungsträger unterstützen, die anstehenden Probleme und Herausforderungen anzugehen und zu bewältigen.

*Andrea M. Studer ist seit 2005 Programmbeauftragte Moçambique bei der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA. Moçambique ist Schwerpunktland der DEZA und des SECO mit einem Programmvolumen von 30 Millionen CHF/Jahr. Die aktuelle Kooperationsstrategie 2007-2011 fokussiert auf drei Bereiche: Gesundheit, lokale Gouvernanz und wirtschaftliche Entwicklung. Andrea Studer studierte an der Universität Zürich Ethnologie, Soziologie und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (lic phil I) mit Feldforschung 1998-1999 in Bouaké (Côte d’Ivoire) zur Thematik „Einfluss von Hexereivorstellungen auf das Präventionsverhalten im Kontext von HIV/AIDS. Es folgte ein Masterstudium Development Studies am IDS Sussex. Als Experte associée war sie von 2002-2005 verantwortlich für die Gesundheits- wie auch HIV-Programme von UNDP Bénin und für die Implementierung der ersten Runde von Vergabungen des Global Fund to fight Aids, Malaria and TB in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium Benin. http://www.deza.ch, andrea.studer@deza.admin.ch.

*Jochen Ehmer ist seit Februar 2007 auf der Geschäftsstelle von SolidarMed verantwortlich für die Fachbereiche HIV und Malaria sowie für das Programm in Moçambique. Sein Hintergrund: Allgemeinarzt mit Zusatzausbildung in Tropenmedizin und Humanitärer Hilfe. 1990-96 Medizinstudium in Frankfurt/M. und Lyon. Fünf Jahre medizinische Tätigkeiten an Uniklinik Giessen, Strasbourg und in Allgemeinpraxen. Europäisches Master-Studium Humanitäre Hilfe in Bochum und Aix-en-Provence, Diplom für Tropenmedizin und Hygiene in London. Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit bei Caritas International Deutschland und beim Amt für Humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission in Brüssel. Von 2005 bis 2007 Projektleiter bei SolidarMed Moçambique. http://www.solidarmed.ch, j.ehmer@solidarmed.ch.

Der Beitrag stützt sich auf die Präsentationen beider AutorInnen sowie die nachfolgende Gruppendiskussion am Symposium vom 6. November 2007.

Literatur

  • Martinez, Javier. 2006. Implementing a sector wide approach in health: the case of Mozambique. Technical Approach Paper, edited by HLSP Institute, London: http://www.hlspinstitute.org/projects/?mode=type&id;=100615
  • Mahapatra. The Lancet 2007.370.1653-63: Who counts? Civil registration systems and vital statistics: successes and missed opportunities
  • AbouZahr, The Lancet 2007,369,1039-46: From data to policy: good practices and cautionary tales