Editorial

Implementation Research: resultat- oder rechteorientierte Forschung?

Von Martin Leschhorn Strebel

Seit diesem Jahr befasst sich das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz intensiver mit der umsetzungsorientierten Forschung zu Projekten und Programmen, der Implementation Research. Dabei zeigt sich, dass es sich nicht nur um eine technische sondern auch um eine politische Fragestellung handelt.

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Implementation Research: resultat- oder rechteorientierte Forschung?

Implementation Research – umsetzungsorientierte Forschung: Ich bin ehrlich, das klingt staubtrocken. Und da hilft es wohl auch nicht, wenn ich diesen Begriff mit dazugehörenden Instrumenten wie Datenmanagement, Monitoring und Evaluation oder dem Schaffen von Evidenz verknüpfe. Einige von uns verbinden damit die mühsame Arbeit, Zahlenreihen zu unzähligen Indikatoren zu erfassen, auszuwerten und damit unsere Vorstände oder unsere Geldgeber zu beglücken.

Vor ein wenig mehr als einem Jahr sind Mitarbeiter des Schweizerischen Roten Kreuzes und SolidarMed auf mich zugekommen, weil sie wollten, dass unser Netzwerk Medicus Mundi Schweiz (MMS) dieser staubtrockenen Materie unbedingt mehr Aufmerksamkeit widmen soll. Zwei Gedanken standen nach meiner Einschätzung hinter der Forderung: Ersten sollten die in der Gesundheitszusammenarbeit tätigen Organisationen das Potential ihrer Daten, die sie im Rahmen ihrer Projekte und Programme erheben, besser ausschöpfen können. Zweitens sollten die MitarbeiterInnen dieser Organisationen dazu ermächtigt werden, viel bestimmender das Zepter in der Erforschung ihrer Projekte und Programme in die Hand zu nehmen.

Hindernisse und Herausforderungen

Anlässlich eines MMS Round Tables am 16. März 2015 zeigte sich, dass das Thema auch bei weiteren Mitgliedorganisationen unter den Fingern brennt. Im September 2015 organisierten wir schliesslich im Rahmen der European Congress on Tropical Medicine and Internationalen Health (ECTMIH) in Basel unter dem Titel Swiss Health NGOs for Implementation Research“ einen ausgezeichnet besuchten Side Event . Am gleichen Kongress organisierte ausserdem unser internationales Netzwerk MMI eine Parallelsession zum Thema „How to bridge between health systems researchers and practitioners in the field of international health cooperation.“ In dieser Ausgabe des MMS Bulletins versammeln wir nun verschiedene Beiträge, die im Rahmen dieser drei Veranstaltungen entstanden sind.

Als Ergebnis der verschiedenen Debatten, die wir 2015 zur Thematik geführt haben, haben sich verschiedene Hindernisse herauskristallisiert, welche die Umsetzung einer von den NGOs selbst bestimmten Forschung im Wege stehen:

  • Fehlendes Wissen über Implementation Research innerhalb der NGOs und ihrer Partner
  • Fehlende finanziellen und personellen Ressourcen für Implementation Research innerhalb der Organisationen
  • Fehlende Fonds für Implementation Research, resp. für NGOs zu aufwändige Prozesse, um sich um Forschungsgelder zu bewerben.
  • Aufwändiges Suchen nach geeigneten Partnern, komplizierter Aufbau und Pflege von Forschungspartnerschaften gerade auch im globalen Süden.
  • Forschung rund um Programme sind zu oft und zu stark durch die Geldgeber und den wissenschaftlichen Kanon geprägt: Die Perspektive sowohl der ProgrammleiterInnen wie auch der lokalen Bevölkerung geht dabei unter.

Die Beschäftigung mit der Thematik zeigt immer deutlicher die politische Dimension rund um das Schaffen von Evidenz auf. Wer bestimmt eigentlich die Fragestellungen, aufgrund derer die Projekte und Programme in ihrer Umsetzung erforscht werden? Wissenschaftliche Kriterien garantieren Qualität, folgen aber je nach dem Mustern, die von den Geldgebern vorgegeben sind. Diese haben die Tendenz. resultateorientiert statt rechtebasiert zu sein, wie es viele NGOs und ihre Südpartner anstreben. (Eyben & Guijt 2015) Die Gefahr bei resultateorientierter Begleitforschung zu Programmen besteht darin, dass sie dazu tendieren, existierende (Macht-)verhältnisse fortzuschreiben anstatt das verändernde Potential der Entwicklung zu beschreiben.

Mit der Vision gesundheitliche Verhältnisse global zu verbessern und Gesellschaften in ihren Veränderungsprozessen zu verändern, wird sich das Netzwerk Medicus Mundi Schweiz einer rechtebasierten Forschung annehmen.

 

Ressourcen

Rosalind Eyben and Irene Guijt: Introduction. In: The Politics of Evidence and Results in International Development. Playing the game to change the rules? Edited by Rosalind Eyben, Irene Guijt, Chris Roche and Cathy Shutt. Bourton on Dunsmore 2015

Martin Leschhorn Strebel
Martin Leschhorn Strebel
Geschäftsführer des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz.