ICPD+15: No Woman should Die Giving Life

Für neues Leben das Leben riskieren?

Von Susanne Rohner

Jede Minute stirbt weltweit eine Frau an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt. 99 Prozent der Betroffenen leben in Entwicklungsländern. Die internationale Gemeinschaft hat sich eigentlich dazu verpflichtet sich für die reproduktiven Rechte der Frauen einzusetzen. Ein entsprechendes Aktionsprogramm wurde vor 15 Jahren in Kairo verabschiedet und läuft in fünf Jahren aus.

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Leben und Tod liegen nahe und brutal beieinander: Jährlich sterben weltweit mehr als 500‘000 Frauen an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt und fast 4 Millionen Neugeborene sterben innerhalb ihrer ersten 28 Lebenstage. Während Schwangerschaft und Geburt in Ländern wie der Schweiz in der Regel als freudiges, hoffnungsvolles und zukunftsweisendes Ereignis erlebt werden, können sie in Entwicklungsländern für manche Frauen rasch eine gesundheits- und lebensbedrohliche Wende nehmen. Jede Minute stirbt weltweit eine Frau an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt. 99 Prozent von ihnen leben in Entwicklungsländern. In Industrieländern beträgt das Müttersterblichkeitsrisiko über die ganze Lebzeit durchschnittlich 1:7300, in den Ländern Afrikas liegt es dagegen im Durchschnitt bei 1:26 (WHO; UNICEF, UNFPA und Weltbank: «Maternal Mortality in 2005», Genf 2007). Zudem erleiden jährlich weitere 10 Millionen Frauen aufgrund fehlender medizinischer Versorgung während der Schwangerschaft und Geburt teils schwere Gesundheitsschäden wie Scheidenfisteln, Anämie, Unfruchtbarkeit, Beckenverletzungen und chronische Infektionen, die für die Betroffenen in manchen Fällen mit gesellschaftlicher Ausgrenzung einhergehen. Die Vernachlässigung der Gesundheit von Schwangeren und Müttern äussert sich aber nicht nur in diesen persönlichen Schicksalen, sondern sie hat weiterreichende Auswirkungen auch auf das Umfeld: Mit all den Frauen, die weltweit jede Minute an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt sterben, verlieren Millionen von Kindern ihre Mutter und sind damit ihrerseits einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt.

Reproduktive Gesundheit und Frauenrechte

Die Bedeutung reproduktiver Gesundheit sowohl für die Betroffenen als auch für deren Familien und die Gesellschaft ist bekannt. Vor 15 Jahren haben Regierungsvertreter von 179 Ländern der Welt, darunter die Schweiz, an der UNO-Weltbevölkerungskonferenz in Kairo ein internationales Aktionsprogramm verabschiedet, in dem sie anerkannten, dass reproduktive Gesundheit und Rechte, Zugang zu Möglichkeiten der Familienplanung, Stärkung der Frauen, Gleichstellung der Geschlechter und Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung wichtige Voraussetzung sowohl für das Wohlergehen von einzelnen als auch für eine nachhaltige Bevölkerungsentwicklung sind. Insbesondere wurde im Aktionsprogramm auch das Recht auf reproduktive Gesundheit verankert. Dies bedeutet körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden in allem, was die Fortpflanzung aber auch die Sexualität betrifft. Es beinhaltet auch das Recht, selber die Zahl der Kinder sowie den zeitlichen Abstand zwischen den Schwangerschaften bestimmen zu können. Zudem sollen Informationen über Möglichkeiten der Familienplanung sowie wirksame Verhütungsmittel allen zur Verfügung stehen und der Zugang zu medizinischer Gesundheitsversorgung während der Schwangerschaft und Geburt gewährleistet sein. Auch sollen alle Menschen die Möglichkeit haben, sich vor HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen.

Düstere Bilanz

Das Aktionsprogramm von Kairo ist auf 20 Jahre ausgelegt. Dessen zentrale Forderungen wurden auch in den UNO-Millenniums-Entwicklungszielen (Millennium Development Goal MDG) aufgenommen. So hat MDG5 das Ziel, die Müttersterblichkeitsrate weltweit bis 2015 um 75 Prozent zu reduzieren und universellen Zugang zu reproduktiver Gesundheitsversorgung zu gewähren.

Fünf Jahre vor Ablauf des Aktionsprogramms von Kairo gilt es, Bilanz zu ziehen und Massnahmen für die verbleibenden 5 Jahre zu treffen. Die Bilanz sieht allerdings düster aus, ist doch die Müttersterblichkeitsrate seit den 1990er Jahren unverändert hoch geblieben. Zum einen fehlt es nach wie vor an fachkundiger medizinischer Betreuung während der Schwangerschaft und Geburt und an ausreichenden Verhütungsmitteln, zum andern stehen auch kulturelle und religiöse Hindernisse der Beanspruchung der reproduktiven Rechte im Wege. Solange Jugendliche, die noch fast Kinder sind, verheiratet werden, solange weibliche Genitalverstümmelung praktiziert wird, solange Verhütungsmittel grundsätzlich aus religiösen Gründen geächtet sind, wird die Gesundheit von Frauen aufs Spiel gesetzt. Darüber hinaus besteht ein enger Zusammenhang zwischen reproduktiven Rechten und Armut: Frauen, denen reproduktive Rechte vorenthalten sind, sind stärker von Armut betroffen und haben weniger Chancen aus der Armutsfalle herauszukommen. Arme Frauen haben kaum Zugang zu Bildung, Informationen, Gesundheitsversorgung und Verhütungsmitteln. Damit haben sie nicht die Möglichkeit, ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und den zeitlichen Abstand der Schwangerschaften zu beeinflussen. Sie setzen sich damit grossen gesundheitlichen Risiken aus und haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Es bleiben ihnen auch kaum Ressourcen um die eigenen Lebensumstände und die ihrer Kinder zu verbessern. Diese wiederum sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, falls ihrer Mutter wegen fehlender medizinischer Versorgung an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt stirbt.

Familienplanung ist denn auch nicht alleine eine Intervention auf Gesundheitsebene. Sie ist eine breitere Entwicklungsinitiative, die neben der gesundheitlichen und menschlichen auch die wirtschaftliche Situation beeinflusst.

*Susanne Rohner ist bei PLANeS, der Schweizerischen Stiftung für sexuelle und reproduktive Gesundheit, zuständig für Advocacy und Kommunikation. Der nationale Dachverband der anerkannten Beratungsstellen für Familienplanung, Schwangerschaft, Sexualität und Sexualerziehung sowie von entsprechenden Berufsverbänden, setzt sich auf nationaler und internationaler Ebene für die Rechte im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit ein. PLANeS führt das Sekretariat der parlamentarischen Gruppe Kairo+.
Kontakt: susanne.rohner@plan.s.ch


Online Petition

MDG5 ist bislang das Millenniums-Entwicklungsziel, das am wenigsten Fortschritte zu verzeichnen hat. Dies hat auch UNFPA-Delegierte Leyla Alyanak im Frühling an der Sitzung der parlamentarischen Gruppe Kairo+ festgehalten. Die Gruppe besteht aus Mitgliedern des National- und Ständerates und setzt sich in der Schweiz für die Umsetzung des Aktionsprogramms von Kairo ein. Sie hat im Anschluss an das Treffen während der Frühlingssession zwei Interpellationen deponiert, welche die Behörden zu konkreten Massnahmen auffordert.

PLANeS, die Schweizerische Stiftung für sexuelle und reproduktive Gesundheit, hat in Anlehnung an die Interpellationen eine Petition lanciert, die online unterstützt werden kann: http://www.plan-s.ch/spip.php?page=sommaire-de⟨=de