Die Generica-Politik von Novartis

Aus ethischen und kommerziellen Überlegungen...

Von Thomas Schwarz und Gerold Krischker

Als Generica werden Arzneimittel bezeichnet, die nicht mehr durch ein Patent geschützt und deshalb in der Regel kostengünstiger als neue patentgeschütze Medikamente sind. Das Schweizer Pharma-Unternehmen Novartis beheimatet heute die weltweit grösste Generica-Organisation. Die Vorgänger-Unternehmen von Novartis haben den Patentschutz und den hohen Preis ihrer Arzneimittel mit den enormen Entwicklungskosten gerechtfertigt und den Generica gegenüber eine eher kritische Position eingenommen. Und nun lesen wir auf der Homepage von Novartis Generics: "Novartis firmly believes that high quality medicines should be affordable to everyone". - Grund genug für ein Gespräch mit Gerold Krischker, dem Informationsbeauftragten von Novartis Generics.*

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Dass auf der "Generics"-Homepage von Novartis Postulate von Drittweltstaaten und Organisationen der Gesundheitszusammenarbeit übernommen werden, erstaunt und macht stutzig. Was steckt hinter den schönen Worten? Hat die Novartis im Pharmabereich ihre Policy geändert, oder forciert sie den Bereich Generica aus rein kommerziellen Überlegungen?

Novartis ist ein weitgefächertes Unternehmen, und das gilt auch für den Bereich "Gesundheit". So erforscht und entwickelt Novartis Pharma neue, innovative Medikamente, die für eine begrenzte Zeitdauer durch Patente geschützt sind. Der Sinn liegt darin, dem Erfinder und Hersteller eine zeitlich begrenzte Nutzung im Alleinrecht zu ermöglichen und auf diese Weise und über einen angemessenen Preis für die hohen Forschungs- und Entwicklungskosten zu kompensieren. Novartis Generics konzentriert sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Arzneimitteln, die nicht mehr dem Patentschutz unterliegen (= Generica) und für die diese immensen initialen Forschungskosten wegfallen. Zusätzlich werden diese Generica in speziellen Produktionsbetrieben mit einer besonders "schlanken" Kostenstruktur hergestellt und können daher zu attraktiven Preisen zur Verfügung gestellt werden. Dies auch deshalb, weil wir den allergrössten Teil der von uns vertriebenen Generica aus eigenen Wirkstoffen selbst herstellen und nicht zukaufen. Selbstverständlich sind auch bei Novartis ethisch/soziale mit kommerziellen Überlegungen untrennbar miteinander verbunden, und langfristig muss auch der Ertrag stimmen. Auf jeden Fall anerkennt Novartis die medizinische und wirtschaftliche Bedeutung beider Kategorien von Arzneimitteln.

Welcher Anteil der weltweiten Verkäufe von Novartis-Generica in der Höhe von jährlich 1 Milliarde US- Dollars wird in Entwicklungsländern getätigt?

Eine Frage, die nicht adhoc zu beantworten ist. Gerade in einer Zeit, in der auch in Ländern der nördlichen Halbkugel, wie zum Beispiel in Nachfolgestaaten früherer kommunistischer Länder, mitunter Schwierigkeiten in der Finanzierung von Gesundheitsaufgaben auftreten. Lassen Sie mich bitte ein Beispiel anführen: Die grösste Generica-Firma innerhalb von Novartis, ist die auf Antibiotika spezialisierte, in Österreich beheimatete Biochemie-Gruppe. Der grösste Teil der von Biochemie hergestellten Wirkstoffe und fertigen Arzneimittelspezialitäten geht in die Länder der sogenannten zweiten und dritten Welt. Allein ein Viertel des Umsatzes mit fertigen Arzneimitteln entfällt auf afrikanische Länder.

"Novartis believes it is their social responsibility to actively participate in the effort to lower healthcare expenditures" - so schreiben Sie auf Ihrer Homepage. Unternimmt die Novartis - neben der Produktion und dem Vertrieb von Generica durch kommerzielle Kanäle - spezifische Anstrengungen zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Generica in der Dritten Welt?

Biochemie bzw. Novartis Generics arbeitet mit Internationalen Organisationen, zum Beispiel der WHO, Unicef, und der Weltbank zusammen, wie auch mit Non-Profit-Organisationen, die Generica vertreiben, z.B. IDA, IAPS und Action Medeor. Aber auch wir unterliegen selbst den Marktgesetzen: nur wenn wir unsere Kosten sehr eng kalkulieren, haben wir bei solchen Ausschreibungen eine Chance, mit Arzneimittellieferungen zum Zuge zu kommen.

Sind die für Entwicklungsländer produzierten Arzneimittel mit denjenigen, die in Europa vertrieben werden, identisch? Wie werden die Informationen für Zulassungsbehörden und Verbraucher/-innen gestaltet?

Von einem bestimmten Wirkstoff produziert Novartis immer nur eine, sehr hohe Qualität. Es gibt keinen doppelten Standard für den europäischen Markt und für Lieferungen in Entwicklungsländer. Durch unterschiedliche Dosierungsvorschriften in den Ländern kann es eventuell bei fertigen Arzneimitteln Unterschiede geben. Sie ergeben sich aus den unterschiedlichen Bedürfnissen und Gesundheitsschulen der einzelnen Länder und den daraus folgenden unterschiedlichen Zulassungsbedingungen.

Die von Novartis hergestellten fertigen Arzneimittel werden in der Regel nicht unter ihrer generischen Bezeichnung (INN), sondern unter einer Markenbezeichnung vertrieben. Bei den Medikamenteninformationen gelten dieselben Standards wie im Pharma-Bereich. Ein grosser Teil der von uns produzierten Arzneimittel ist rezeptpflichtig und wird daher durch medizinisches Fachpersonal abgegeben bzw. verabreicht. Dadurch relativiert sich die Gefahr ihrer falschen oder missbräuchlichen Verwendung.

*Die Fragen stellte Thomas Schwarz. Homepage von Novartis: http://www.novartis.com