Verbesserung der Spitalinfrastruktur und angepasste Technologie

Gesundheitsreform in Kirgistan

Von Peter Eppler

Während der Sowjetzeit nahmen sich die Gesundheitsindikatoren Kirgistans verglichen mit denjenigen anderer Länder mit ähnlichem Einkommensstand sehr gut aus, zudem war die hoch spezialisierte Gesundheitsversorgung allen zugänglich und kostenlos. Aber das Gesundheitssystem hatte eine Reihe von fundamentalen Schwächen. Die Ressourcen wurden ineffizient genutzt (es gab mehr Spitalbetten und Ärzte pro Einwohner als in hoch entwickelten Ländern, gleichzeitig waren die Anstrengungen im Bereich von Basisgesundheit und öffentlicher Gesundheit nicht ausreichend), auf neue Trends bei den Krankheiten wurde nicht rechtzeitig reagiert und eine Reihe von Regeln und Praktiken im Gesundheitsbereich entsprachen nicht dem internationalen Standard.

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Aufgrund der ökonomischen Krise und der ausbleibenden Unterstützung durch Russland konnte das Gesundheitssystem von Kirgistan den Bedürfnissen weitgehend nicht mehr gerecht werden. Die allgemeine Mortalitätsrate und die Verbreitung von ansteckenden Krankheiten nahmen in der Folge zu. Es gab zunehmend Probleme mit Wasser und sanitarischen Einrichtungen, Heizsystemen, Dachbedeckungen und medizinischen Geräten. Teilweise war es diesen Spitälern nicht mehr möglich, den Betrieb sinnvoll zu gewährleisten, ganze Abteilungen blieben leer.

Angesichts dieser prekären Lage wurde Anfang der 90er Jahre eine umfassende nationale Gesundheitsreform ins Auge gefasst, welche durch die Weltbank und die WHO gefördert wurde. Gezielte, komplementäre Unterstützung kam von weiteren internationalen Organisationen, vor allem von der AZO/DEZA. Von dieser Gesundheitsreform (MANAS Health Care Reform Programme) war jedoch Ende der 90er Jahre in den abgelegenen Regionen Kirgistans noch wenig zu spüren. Darum entschloss sich die AZO/DEZA, den Gesundheitssektor in der entlegensten und gebirgigsten Region, dem Naryn Oblast, zu unterstützen. Zur Durchführung des ‚Kyrgyz-Swiss Health Care Reform Project’ wurde das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) beauftragt.

Nach einer ersten Phase von November 1999 bis März 2001, die sich vor allem mit der Restrukturierung und Renovation von zwei Distriktspitälern befasste, begann im April 2001 eine dreijährige zweite Projektphase, welche folgende Zielsetzungen hat:

  • Das Reformprogramm bewirkt im Naryn Oblast eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der Bevölkerung und erhöht die Qualität der Gesundheitsversorgung durch Unterstützung des nationalen Reform Programms
  • Konkret beinhaltet dies die Restrukturierung der Gesundheitsversorgung nach nationalen Richtlinien, die Verbesserung der Infrastruktur der wichtigsten Spitäler und die Stärkung der primären Gesundheitsversorgung (Primary Health Care) und der öffentlichen Gesundheit (Public Health).

Unter ‚Verbesserung der Infrastruktur’ der wichtigsten Spitäler ist bis Ende der zweiten Phase die Restrukturierung und Renovation von vier Distriktspitälern gemeint, was die Verbesserung der Gebäudeinfrastruktur und der Medizinaltechnik umfasst. Diese Zielsetzung ist umso wichtiger, als in allen Distriktspitälern und weiteren Gesundheitszentren des Naryn Oblasts unhaltbare Zustände herrschten. Es war offensichtlich, dass diesbezüglich zuerst die dringendsten Bedürfnisse abgedeckt werden mussten, um einen regulären Spitalbetrieb gewährleisten zu können. Zu diesem Zweck wurden Verbesserungen und Rationalisierungsmassnahmen geplant, um auch massive Einsparungen bei den Betriebskosten zu erzielen.

Als einschneidendste Massnahme wurde die Bettenzahl stark reduziert, da Kirgistan 1998 mit 6,7 Betten pro 1'000 Einwohner eine höhere Ratio als in allen westeuropäischen Ländern, mit Ausnahme von Deutschland, aufwies. Ebenfalls die durchschnittliche Bettenbelegung der Patienten von 12,9 Tagen (1998) war vergleichsweise hoch. Bereits im ersten Projektjahr konnte die Zahl der Betten im Naryn Oblast um 24,7% (484 Betten) gesenkt werden.

Zusätzlich soll das Personal der Spitäler abgebaut werden. Die Ratio von 3 Ärzten pro 1'000 entspricht etwa dem Mittel in Westeuropa. Vorgesehen ist nicht eine Reduzierung der Ärzte im Naryn Oblast, sondern entsprechend der nationalen Richtlinien eine Umverteilung, welche der Stärkung der primären Gesundheitsversorgung Rechnung trägt. Nach einer Umschulung werden ehemalige Spezialärzte in Spitälern vermehrt in sogenannten ‚Family Group Practices’ tätig sein.

Auf der Ebene der sekundären und tertiären Gesundheitsversorgung geht es nicht um Hightech-Medizin, sondern um eine Versorgung der Spitäler mit essentiellen medizinischen Geräten. Dabei werden beim Kauf der Geräte vor allem Kriterien berücksichtigt, die aus lokalen Erfahrungen resultieren und den Empfehlungen der WHO** entsprechen. Die hohen Bedürfnisse und die beschränkten Finanzen - viele Spitäler konnten in den letzten Jahren selbst die Elektrizitätsrechnungen nicht bezahlen - legen einen äusserst effizienten Mitteleinsatz für die Beschaffung von essenziellen medizinischen Geräten nahe, die dem lokalen Kontext angepasst sind. Aus Gründen der Kostenersparnis sind vom Reformprojekt zuerst alle medizinischen Geräte der zehn wichtigsten Spitäler des Naryn Oblast registriert und entsprechend ihrem Zustand kategorisiert worden. In den vom Projekt berücksichtigten vier Distriktspitälern werden nun die alle Geräte überholt, was im Vergleich zu einer Neubeschaffung einen sehr geringen Finanzaufwand benötigt. Erst in einem zweiten Schritt werden als Ergänzung neu benötigte Geräte hinzugekauft.

Aufgrund der resultierenden Einsparungen durch die Neuausrichtung im Gesundheitssektor können Komponenten der Primären Gesundheitsversorgung und der öffentlichen Gesundheit vermehrt gefördert werden. Als Strategie wird unter anderem der Einbezug lokaler Dorfgemeinschaften gewählt. Letztere gelten als aktive Ansprechpartner für die Family Group Practices. Durch einen partizipativen Ansatz auf dieser Ebene sollen von der Basis kommende Gesundheitsinitiativen unterstützt und lokale Ressourcen besser mobilisiert werden.

*Peter Eppler ist Programmverantwortlicher beim SRK, Deptartement Internationale Zusammenarbeit

**Essential equipment for district health facilities in developing countries. GTZ and WHO, Eschborn 1994.