Ein Blick nach Süden lohnt sich

Eine Pressestimme zum MMS-Symposium

Von Boris Bögli

Mit der anhaltenden Kostenexplosion im Gesundheitswesen rücken Leistungskürzungen in der Medizin immer näher. Wenn entschieden werden muss, wo gespart werden soll, lohnt sich ein Austausch mit Entwicklungsländern: Sie haben Erfahrung im Umgang mit knappen Gesundheitsbudgets.

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Eine betagte Patientin muss trotz Schmerzen im Gang der Notfallabteilung warten und wird ohne Behandlung in ihr Krankenzimmer zurückgeschoben – mit diesem Vorfall illustriert der Arzt Guy Morin seine Ansicht, dass der gleiche Zugang aller zu den bestmöglichen Gesundheitsdienstleistungen auch in der Schweiz nicht immer gewährleistet sei. Fälle von Diskriminierung wehrloser Patienten, lange Wartezeiten oder die Nicht-Einhaltung von Standards in der Altenpflege seien Ausdruck einer versteckten Rationierung im Gesundheitswesen.

Der Leistungsabbau in der Medizin und was die Schweiz allenfalls von Erfahrungen in der Dritten Welt lernen kann, war ein zentrales Thema am Symposium des Gesundheitsnetzwerks Medicus Mundi Schweiz in Basel. Die Redner waren sich weitgehend einig, dass in der Schweiz in naher Zukunft schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden müssen. „Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass es im Gesundheitswesen ohne Prioritätensetzung geht“, sagt Christoph Pachlatko, Ökonom und Direktor des Epilepsiezentrums in Zürich. „Aber sollen wir die Entscheidungen den freien Kräften überlassen oder klare Regeln einführen?“

Doppelspurigkeiten vermeiden

Mit solchen Fragen sind Entwicklungsländer seit langem konfrontiert. Einige haben Modelle entwickelt, wie die knappen Mittel möglichst effizient eingesetzt werden können. So schuf Tansania, ein Schwerpunktland der Schweizer Entwicklungshilfe, vor vier Jahren einen Gesundheitsfonds, über den unter anderem die faire Mittelverteilung an die Regionen abgewickelt wird. Ein Ziel ist die landesweite Harmonisierung der Gesundheitsprogramme. Das System ist eine Mischung aus zentraler Planung (unter anderem um Doppelspurigkeiten zu vermeiden) und mehr Kompetenzen für die Regionen. Seit der Einrichtung des Fonds hat sich der Anteil der Ausgaben für die Prävention und Grundversorgung stark erhöht, während in luxuriösere Spitäler weniger investiert wird.

Natürlich können die Gesundheitssysteme der Schweiz mit denjenigen von Entwicklungsländern nicht direkt verglichen werden, wie Nicolaus Lorenz, Präsident von Medicus Mundi Schweiz, einräumt. Die Schweiz gibt jährlich 6'000 Franken pro Kopf für Gesundheit aus, in Tansania sind es 10 Franken. Doch zeigten die Erfahrungen aus Entwicklungsländern, dass eine zentralere Steuerung Vorteile habe. Im Gesundheitsbereich wirke sich die starke Föderalisierung der Schweiz für einmal negativ aus.

Als Beispiel nennt er den Wunsch des Kantons Baselland, für 3,7 Millionen Franken ein Magnetresonanzgerät anzuschaffen, obwohl es im Grossraum Basel schon neun solche Geräte gibt. Er fordert, vor jeglichem Leistungsabbau das Sparpotenzial besser auszuschöpfen. Bei den Medikamentenkosten sei dies zum Beispiel der Einsatz von Generika. Während in Tansania 80 Prozent aller eingesetzen Medikamente Nachahmerpräparate sind, beträgt der Anteil in der Schweiz nur 3,1 Prozent.

Mehr Transparenz und Mitsprache

Ein wichtiges Anliegen ist den Referenten eine bessere Transparenz. Morin weist darauf hin, dass in der Schweiz oft unklar ist, wohin wieviel Geld fliesse. Dass Transparenz viele Vorteile hat, zeigt ein Projekt des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in Kambodscha. In einem Spital im südlichen Takeo konnten so die landesüblichen Schmiergeldzahlungen durch ein System moderater Gebühren ersetzt werden. Gleich drei Probleme wurden damit behoben: Die Benachteiligung armer Patienten, die ungleich grossen Lohntüten des Personals und die dauernde Mittelknappheit des Spitals.

Erhöhte Transparenz ist nach Ansicht der Fachleute eine Vorbedingung für einen besseren Einbezug der Bevölkerung in schwierige (Rationierungs-)Entscheidungen. Dies gelte auch für die Schweiz. Die Bedürfnisse müssten auf dezentraler Ebene besser abgeklärt werden, fordert Morin. Einige Experten gaben zu verstehen, dass sie die Haltung gewisser medizinischer Kreise für arrogant halten, wonach die Bevölkerung mangels Sachkenntnis die Bedürfnisse gar nicht beurteilen könne. In manchem Entwicklungsland sprechen Dorfkomitees bei der konkreten Ausgestaltung der Gesundheitsdienstleistungen ein gewichtiges Wort mit.

*Der Beitrag von Boris Bögli (www.infosued.ch) wurde in der Berner Zeitung sowie verschiedenen kleineren Zeitungen abgedruckt. Auf der Grundlage des Mediencommuniqués von Medicus Mundi Schweiz sowie einer SDA-Meldung berichteten verschiedene andere Medien über das Symposium sowie über die von der DEZA im Rahmen des Symposiums vorgestellte Gesundheitspolitik. Eine Zusammenstellung der Medienberichte findet sich in der online-Symposiumsdokumentation.