Vom Armeetransfusionsdienst zum Kompetenzzentrum Blut

Der Blutspendedienst des SRK

Von Rudolf Schwabe

Der Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes SRK ist ein Beispiel für die Übernahme einer öffentlicher Aufgabe durch eine Non-Profit-Organisation. Dabei ist die Entwicklung dieser Organisation spannend und alles andere als gradlinig verlaufen: 1939 gegründet als eine Art "Armeetransfusionsdienst", ist er inzwischen längst zur zivilen, anerkannten Institution innerhalb der Rotkreuz-Familie geworden und steuert in Zukunft immer mehr zu einem "Kompetenzzentrum Blut" hin.

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Das Gründungsdatum des Schweizerischen Blutspendewesens ist genau bekannt: Am 6. Oktober 1939, kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, erliess der Oberfeldarzt der Armee eine Wegleitung, worin er verlangte, dass sich mehr Spitäler als bis anhin der Bluttransfusion annehmen sollten. Das Schweizerische Rote Kreuz forderte er auf, Blutspender bei Zivilpersonen zu werben. Aus dieser Initiative entwickelte sich ein Armeetransfusionsdienst, der glücklicherweise nicht zum Einsatz kam.

Ende 1945 überliess das Amerikanische Rote Kreuz den Schweizer Gesundheitsbehörden über 13'000 Einheiten Trockenplasma, das via das SRK an die Spitäler verteilt wurde. Diese Schenkung bildete den Anlass für das SRK, einen zivilen "Friedensblutspendedienst" aufzubauen. Als Vorbild diente die seit 1943 im Untergrund aufgebaute holländische Blutspendeorganisation. So errichtete das SRK in Bern ein Zentrallaboratorium des Blutspendedienstes (ZLB) und verpflichtete seine Sektionen zur Gründung regionaler Blutspendezentren. Diese Zentren wurden zur Werbung und Rekrutierung von Spendern sowie zur Herstellung und Abgabe von Vollblutkonserven verpflichtet.

Zu Beginn der Tätigkeit des ZLB war es nötig, Leitlinien festzulegen. Als unerlässlich schien die strikte Innehaltung der Unentgeltlichkeit der Spenden. Jenen Spitälern, die begonnen hatten, ihre Spender zu bezahlen, wurden unentgeltliche Spender zur Verfügung gestellt. So gelang es nach wenigen Jahren, die Unentgeltlichkeit landesweit durchzusetzen.

Bedingt durch die Art seiner Entstehung – und auch Zeichen der typisch schweizerischen föderalistischen Strukturen – war der Blutspendedienst SRK noch jahrzehntelang aufgeteilt in eine ganze Anzahl kleiner und kleinster Spitalblutbanken. Noch 1994 waren im Verband der Blutspendezentren 15 ordentliche und 45 assoziierte Mitglieder zusammengeschlossen. Die Mehrzahl dieser Blutspendezentren entnahm weniger als 1000 Blutspenden pro Jahr. Dieser 1983 gegründete Verband hatte übrigens reine Koordinationsfunktion. Er verfügte über keinerlei Instrumente, um irgendwelche Beschlüsse durchzusetzen.

In den 90er-Jahren haben sich die Blutspendezentren von den SRK-Sektionen losgelöst und sich regional gruppiert. Die meisten der damals gebildeten 13 regionalen Blutspendedienste wählten die Rechtsform der Stiftung. Dennoch war bereits damals absehbar, dass weitere Strukturanpassungen notwendig werden würden.

Den Anstoss dazu gab die Aids-Problematik. Als Reaktion auf diese Krankheit setzte der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern 1993 eine Arbeitsgruppe ein, die namentlich die Risiken der Bluttransfusion im Zusammenhang mit Aids vertieft abklären sollte. Der sogenannte Voyame Bericht kam zum Schluss, dass die damaligen Schwachstellen im Blutspendewesen unter anderem in der mangelnden Einheitlichkeit der Organisation lagen. Aus diesem Grund drängte sich – erneut – eine grundlegende Reorganisation auf, mit welcher insbesondere folgende Ziele erreicht werden sollten:

  • Stärkung der Struktur und Einheit durch Zusammenfassung der Aufgaben des Blutspendedienstes in einer eigenen Organisation
  • Aufgrund dieser neuen Strukturen soll der Blutspendedienst SRK mit den 13 regionalen Blutspendediensten in der Lage sein, effizient, kompetent, kostengünstig und nach den heute geltenden Qualitäts- und Sicherheits-Standards die Versorgung des Blutbedarfs nach labilen Blutprodukten in allen Landesteilen wahrzunehmen.
  • Die neue Struktur soll die richtige Einschätzung und den kompetenten Umgang mit den grossen, immanent vorhandenen Risiken gewährleisten.

Im Dienste der Öffentlichkeit

Ab 1994 wurde diese Reorganisation umgesetzt. Das Zentrallaboratorium Bern, das sich inzwischen zu einem modernen internationalen Unternehmen mit rund 670 Angestellten entwickelt hatte, wurde vom SRK zum Verkauf ausgeschrieben. Die Verkaufsverhandlungen mit der australischen CSL wurden im Frühjahr 2000 abgeschlossen.

Seit dem 1. Januar 2000 ist der Blutspendedienst SRK ein eigenständiger Verein, dessen Mitglieder die 13 Regionalen Blutspendedienste sowie das Schweizerische Rote Kreuz sind. Als juristische Basis für die Tätigkeit des Blutspendedienstes gilt nach wie vor der Bundesbeschluss vom Juni 1951, wonach "der Blutspendedienst für zivile und militärische Zwecke" zu den wichtigsten Aufgaben des SRK gehörten. Das SRK als einzige nationale Rotkreuzgesellschaft sei verpflichtet, im Kriegsfall den Sanitätsdienst der Armee zu unterstützen.

Der dringliche Bundesbeschluss vom März 1996 brachte verschiedene neue Auflagen, die der Blutspendedienst bis zu diesem Zeitpunkt grösstenteils bereits umgesetzt hatte. Unter anderem wurde darin das Vorgehen bei positiven Testergebnissen festgelegt sowie die volle Rückverfolgbarkeit vom Patienten zu den Spenderdaten und eine Meldepflicht bei ausserordentlichen Ereignissen verordnet.

Obwohl damit eigentlich im Auftrag des Bundes handelnd, sind die Bundesbehörden im Verein Blutspendedienst SRK nicht vertreten. Selbstverständlich besteht eine enge Koordination mit den zuständigen Organen der Bundesverwaltung, namentlich dem Bundesamt für Gesundheit. Auch erhält der Blutspendedienst keine Bundessubventionen für seine Tätigkeit: In den Vereinsstatuten ist festgelegt, dass die Blutprodukte zum Selbstkostenpreis an die Spitäler weiterverkauft werden.

"Kompetenzzentrum Blut"

Organisatorisch und strukturell hat sich der Blutspendedienst SRK der heutigen Zeit angepasst. Aus einer rein karitativen und stark auf Freiwilligkeit aufgebauten Organisation wurde ein professioneller Dienstleistungsbetrieb, der seiner hohen Verantwortung im Bereich Bluttransfusion gerecht wird. Doch die Herausforderungen der Zukunft lassen jetzt schon weitere Anpassungen erkennen: Im Zeichen der hohen Gesundheitskosten wird der Blutspendedienst SRK in den nächsten Jahren noch stärker auf Synergien und Rationalisierungen setzen müssen. So dürfte beispielsweise ein Thema werden, ob die ganze Informatik, die heute noch weitgehend autonom von den 13 jeweiligen Blutspendediensten geführt wird, nicht mindestens zu gewissen Teilen zentralisiert werden sollte.

Abgesehen von sicherlich unabwendbaren Rationalisierungen aus Kostengründen muss sich der Blutspendedienst aber auch grundsätzliche Gedanken machen: Das Anforderungsprofil von Transfusionsärzten und Laborpersonal nimmt – unter anderem aufgrund der via Blut übertragbaren Krankheitserreger – ständig zu. Gleichzeitig ist es aber Tatsache, dass für junge Mediziner die Transfusionsmedizin heute keine Herausforderung mehr bildet. Der Blutspendedienst SRK hat die drohenden Gefahren erkannt und will die notwendigen Gegenmassnahmen frühzeitig einleiten: So wird zurzeit intensiv darüber diskutiert, ob sich der Blutspendedienst nicht auch im Ausbildungsbereich von Transfusionsärzten und Laborpersonal engagieren sollte.

Weitere Überlegungen gehen dahin, dass der Blutspendedienst sein Tätigkeitsgebiet erweitern könnte. Von der ursprünglich Hauptaufgabe des reinen "Sackabfüllens" ausgehend, wird inskünftig noch stärker eine Art "Kompetenzzentrum Blut" anvisiert: Der Blutspendedienst wird damit ein Partner der Spitäler und Ärzte mit einem "full service" auf dem Gebiet der Transfusionsmedizin und Blutbearbeitung.

*Rudolf Schwabe ist Direktor des Blutspendedienstes SRK