Editorial

Nichtstaatliche Leistungserbringer im Gesundheitswesen

Von Nicolaus Lorenz

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"Nichtstaatliche Leistungserbringer" - auf Deutsch hört sich das etwas holprig an. Dabei wird gerade in der Schweiz die ambulante Grundversorgung durch Tausende von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten sichergestellt. Auch in anderen Bereichen, beispielsweise dem Blutspendewesen, werden in der Schweiz zentrale Elemente der Versorgung von nichtstaatlichen Leistungserbringern erbracht.

In vielen Ländern mit beschränkten Ressourcen spielen nichtstaatliche Leistungserbringer ebenfalls eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung. In den Slums indischer Grosstädte sind praktische Ärzte die Grundversorger, weil ihre Ambulatorien im Gegensatz zu den staatlichen Einrichtungen nicht nur zu "Bürozeiten" geöffnet sind. In anderen Ländern hat sich durch die Liberalisierungswelle der vergangenen Jahrzehnte ein teilweiser Wildwuchs an nichtstaatlichen Leistungserbringern etabliert. In Lomé (Togo) stehen den 20 staatlichen Einrichtungen an die 1‘000 nichtstaatliche Gesundheitseinrichtungen gegenüber. Diese sind praktisch nicht nur nicht kontrolliert – was in der neoliberalen Welt ja auch nicht der Fall sein soll – sondern auch in keiner Weise supervidiert, um eine minimale Qualität sicher zu stellen.

Ein "contracting out" staatlicher Leistungen an Private, wie es jetzt oft undifferenziert propagiert wird, ist auch keine endgültige Antwort, weil sich die Gesundheitsministerien damit aus ihrer Verantwortung stehlen könnten. Heute müssen Mechanismen gefunden werden, die sicherstellen, dass die nichtstaatlichen Leistungserbringer auch tatsächlich komplementär zu den staatlichen Gesundheitsdiensten sind.

Eine besondere Rolle spielen dabei die kirchlichen Gesundheitsdienste, die in vielen Ländern eine tragende Säule der Gesundheitsversorgung darstellen, aber aus vielen Gründen oft (noch) nicht in der Lage sind, mit den staatlichen Gesundheitsbehörden in einen konstruktiven Dialog zu treten. Dabei verfügen die Kirchen über eine im wahrsten Sinne jahrhundertelange Erfahrung in der nichtstaatlichen Gesundheitsversorgung, die für die Kirchen aus naheliegenden Gründen natürlich immer über das rein Körperliche hinausgegangen ist.

Beim neuen Ansatz der sektorweiten Unterstützungmassnahmen in der Gesundheitsentwicklungszusammenarbeit sind "zwei Seelen, ach, in meiner Brust". Die grundsätzlich vernünftige Strategie, Unterstützungsmassnahmen zu bündeln, hat zumindest das Potential, nicht nur Gutes zu wollen, sondern auch Böses zu tun und den nichtstaatlichen Leistungserbringern eher zu schaden als zu nützen.

Es lohnt sich immer, über den Tellerrand hinauszuschauen. Der letzte thematische Beitrag in dieser Bulletinausgabe postuliert mit Recht, dass wir nichtstaatlichen Erbringer von partnerschaftlicher Entwicklungszusammenarbeit, also die NGOs des Nordens, uns unserer Ursprünge und Stärken erinnern und mit neuen und lokal angepassten Ansätzen wieder die Initiative ergreifen.

*Nicolaus Lorenz, Schweizerisches Tropeninstitut STI
Präsident von Medicus Mundi Schweiz