Ein Praktikum im St.Francis Hospital (Tanzania)

Leider für niemanden eine grosse medizinische Hilfe, aber...

Von Michael Müntener

Im zweiten Jahr des Medizinstudiums an der Uni Zürich faszinierte mich ein Vortrag zweier Medizinstudenten, die über ihren Aufenthalt und ihre Arbeit in einem Spital in Afrika berichteten. Ich beschloss, während meines Wahlstudienjahres auch einen Aufenthalt in der Dritten Welt einzuplanen.

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Meine Motivation für einen medizinischen Einsatz in einem Entwicklungsland war nicht, möglichst selbständig zu arbeiten und eine grosse Verantwortung übernehmen zu können. Dies ist für einen Studenten im Wahlstudienjahr noch einige Jahre zu früh. Ich habe deshalb darauf geachtet, in ein Spital zu gehen, welches nicht zum ersten Mal eine Studierenden aufnimmt und ausbildet. Eine weiter Einstellung, die erfahrungsgemäss zu Missverständnissen führen kann, ist die, dass jemand sein Praktikum primär als Hilfseinsatz versteht. Während dem Studium - auch am Ende des Wahlstudienjahres - ist man leider für niemanden eine grosse medizinische Hilfe, auch in einem Entwicklungsland nicht. Man profitiert jedoch selber ungemein für die eigene medizinische Laufbahn. Bei der Arbeit und im Umgang mit den Leuten an einem solchen Spital sollten einem diese Verhältnisse bewusst sein. Ich ging also in erster Linie, um meinen Horizont zu erweitern und um Dinge zu sehen , die ich sonst nie gesehen hätte. Als Zeitpunkt für mein Auslandpraktikum habe ich ein zweites Wahlstudienjahr gewählt. So konnte ich ein komplettes Praktikumsjahr in der Schweiz durchlaufen, schon einige Erfahrungen sammeln und anschliessend ohne Stress sechs Monate im Ausland verbringen.

Ich entschied mich für das St.Francis-Hospital in Ifakara (Tansania), wo ich dann auch eine Praktikumsstelle erhielt. Das Spital wurde ursprünglich von Baldeggerschwestern gegründet; später wurde es zum SolidarMed-Partnerspital. Während längerer Zeit waren jeweils mehrere Ärzte aus der Schweiz am Spital beschäftigt. Heute wird das St. Francis Hospital vom Bund mit einer halben Million Franken jährlich unterstützt. SolidarMed verwaltet das Geld noch, schickt aber keine Ärzte mehr hin. Das Ziel ist, das Spital längerfristig personell und möglichst auch finanziell unabhängig werden zu lassen. Zur Zeit sind noch der Administrator und der Spitaltechniker SolidarMed-Angestellte. Chefarzt ist aber bereits seit zwei Jahren ein Tansanier.

Das Spital verfügt über 371 Betten und ist aufgeteilt in vier "Departements": Medizin, Chirurgie, Gynäkologie/Geburtshilfe und Pädiatrie. Insgesamt arbeiten neun Ärzte im Spital, wovon zwei an der Universität Medizin studiert haben und die anderen nach ein paar Jahren Tätigkeit als "medical assistants" einen zweijährigen Weiterbildungskurs zum "assistant medical officer" absolviert haben. Unter dem Hilfspersonal reicht das Spektrum je nach Motivation und Erfahrung von unfähigen (beinahe gemeingefährlichen) bis hin zu sehr guten Leuten.

Die Bedingungen für ein Praktikum sind in Ifakara beinahe ideal. Zum einen kommt das daher, dass man als Weisser einen gewissen Bonus geniesst, zum andern daher, dass einem überhaupt keine fixen Aufgaben übertragen werden und man seinen Arbeitsort völlig frei wählen kann. Zuerst arbeitete ich drei Monate auf der inneren Medizin. Medizin ist in Ifakara schwerwiegend Infektiologie. Am häufigsten sind Malaria (Ifakara ist ein holoendemisches Malariagebiet), Tuberkulose, AIDS und schwere Pneumonien. Die Patient/innen sind durchschnittlich wesentlich jünger als in der Schweiz. Die meisten von ihnen weisen sehr eindrückliche, ausgeprägte Symptome auf, was ich als ungeübter Untersucher sehr lehrreich empfunden habe. Die letzten zwei Monate verbrachte ich auf der Chirurgie, die sich von den Krankheitsbildern her weniger von den unseren unterscheidet. Der grosse Unterschied liegt hier in den beschränkten Mitteln, welche den Chirurgen zur Verfügung stehen, was sie natürlich zur Improvisation zwingt. Neben dem Mithelfen im OP war ich vor allem auf der ambulanten Chirurgie tätig.

Ich habe am St. Francis Hospital absolut das beste und motivierendste halbe Jahr meines Studiums verbracht. Ich glaube zwar nicht, dass ich mir dabei viel Wissen und Fähigkeiten angeeignet habe, die für das schweizerische Staatsexamen direkt von grosser Bedeutung sind, aber die Eindrücke und Erfahrungen sind für mich absolut unersetzlich. Ich möchte jeden, der mit dem Gedanken spielt, einen solchen Aufenthalt zu machen, dazu ermutigen.

* Gruppe von UnterassistentInnen in der 3. Welt