Nicaragua, El Salvador und Guatemala

Hebammenarbeit hat Tradition

Von Judith Eisenring

medico international schweiz engagiert sich für Hebammenarbeit in Zentralamerika, damit diese die notwendige Wertschätzung erhält. Die Organisation unterstützt die Vernetzung und Weiterbildung von Hebammen.

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In den ländlichen Gegenden Zentralamerikas kommen viele Kinder einfach so auf die Welt, ohne Geschenke und Blumen. Manchmal gibt es nicht einmal Wasser und Strom. Der Weg ins nächste Gesundheitszentrum ist zu weit oder die Dienstleistungen so schlecht, dass sie lieber gar nicht in Anspruch genommen werden. Es fehlt an Medikamenten und auch an medizinischem Personal, das in ländlichen Gebieten arbeiten will. Vielfach müssen die Patienten trotz staatlich garantierter Gesundheitsversorgung für adäquate Dienstleistungen ‹unter dem Tisch› bezahlen. Verschärft werden diese Missstände zusätzlich durch die soziokulturelle Distanz zwischen Gesundheitspersonal und Bevölkerung. So bleiben viele Frauen in der Schwangerschaft oder für die Geburt dem Gesundheitszentrum fern. Nicht nur, weil es zu weit entfernt ist, sondern weil sie sich nicht verstanden und oft auch schlecht behandelt fühlen. Vertrauen haben sie jedoch zu den traditionellen Hebammen.

„…auch die Hebamme leidet“

medico international schweiz setzt sich seit 75 Jahren für eine ganzheitliche und angepasste Gesundheitsversorgung in den Ländern des Südens ein und unterstützt mit diesem Ziel seit Jahren die Hebammenarbeit, insbesondere in Zentralamerika: in Nicaragua, El Salvador und Guatemala. Bei der Auswahl der Projektpartnerinnen können wir auf die Erfahrung zurückgreifen, die die Frauen in den Basisorganisationen gemacht haben. Einige von ihnen waren schon im Befreiungskrieg aktiv und haben dort erfahren, wie viel eine basisdemokratisch-organisierte Gruppe bewirken kann. Der Druck auf die einzelnen Hebammen ist jedoch gross, dies zeigt das folgende Zitat von Maria Angela Sacor Acabal, einer traditionellen Hebamme aus Guatemala:

„Viele Leute glauben, die Hebamme sei Allgemeingut des Dorfes, und deshalb sei es ihre Verpflichtung, eine Geburt zu begleiten, ob man sie nun dafür bezahlt oder nicht. Die Leute finden, dass die Hebamme nichts verdienen muss, weil es ja nicht sie ist, die Schmerzen leidet während der Geburt. Wir wissen alle, dass auch die Hebamme leidet. Sie muss zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit sein, unabhängig vom Wetter. Manchmal gibt man ihr während einer langen Geburt etwas zu essen, manchmal nicht. Hier in der Region bezahlt man oft gar nichts, sondern gibt ihr etwas Mais oder Bohnen.“

medico international schweiz will, dass die Hebammenarbeit den Wert bekommt, den sie verdient. Mit dem Budget von medico kann den Hebammen zwar nicht mehr als ein Taschengeld bezahlt werden, aber wir helfen ihnen, sich zu vernetzen und weiterzubilden. So finanzierte medico für die Hebammen in Suchitoto, El Salvador, einen Süd-Süd-Austausch. Fachfrauen aus Matagalpa, Nicaragua führten zwei Weiterbildungs-Seminare zu den Themen Gesundheit, Sexualität, Beziehung und Mutterschaft, häusliche Gewalt und Abtreibung durch. Eine Hilfe, die weit in die Familien greift und den Frauen Ansehen und Eigenständigkeit bringt.

Unerträgliches Dilemma

In ganz Zentralamerika ist es nicht alleine die finanzielle Basis, die den traditionellen Hebammen bislang fehlt, auch die rechtliche Stellung der Arbeit ist gefährdet. Das neuerlassene Gesundheitsgesetz verbietet den Laienhebammen, gestützt auf WHO-Richtlinen, die Hausgeburten zu begleiten. Diese sehen vor Ort täglich die Not der Schwangeren, jedoch wollen sie sich auch nicht strafbar machen. Ein unerträgliches Dilemma.  Alleine können sie nicht gegen diesen politischen Widerspruch angehen. Um gesundheitspolitische Vorstösse zu machen, haben sie sich als Berufsfrauen, wenn auch ohne offizielle Ausbildung und Anerkennung,  zusammengeschlossen, immer mit dem Ziel, die Gesundheit der Familien zu fördern und die Überlebenschancen von Neugeborenen zu verbessern.

Letztlich müssen die Hebammen oft individuell entscheiden, was situativ die beste Hilfe ist. Eine Frau unter Wehen abzuweisen, ist wohl unmöglich, vor allem wenn das Spital mehrere Fussstunden entfernt ist.  Eine Strategie des „das Eine tun und das Andere nicht lassen“ hat sich bewährt und zum Glück macht Not Hebammen erfinderisch, wie zum Beispiel in Nueva Guinea, an der Atlantikküste in Nicaragua. Hier haben Hebammen mit der Casa de la mujer (Frauenhaus) einen Ort geschaffen, wo die Schwangeren auf die Geburt in Spitalnähe warten können. Während den letzten Schwangerschaftswochen werden sie von Hebammen beraten, betreut und auf das Gebären vorbereitet. Nach der Spitalgeburt können sie für das Wochenbett wieder zurückkommen, sich erholen, bis sie in ihr Heimatdorf zurückkehren. Diese Initiative der Hebammen - unterstützt von medico international schweiz - hat das nicaraguanische Gesundheitswesen überzeugt und mittlerweile ist eine wertvolle Zusammenarbeit entstanden, die auch den Hebammen mehr Sicherheit bringt.

*Judith Eisenring arbeitet als Hebamme, Ausbildnerin, Sexualpädagogin und Pflegfachfrau in St. Gallen. Sie ist Co-Präsidentin und Projektverantwortliche Cuba bei medico international in Zürich. Kontakt: jeisenring@bluewin.ch