MMS Workshop „Phasing out“

Von Anfang an das Ende planen

Von Beate Kiefer

Phasing out, ein weiteres entlehntes Wort in der Flut von Anglizismen, die auch in der EZA nicht Halt macht. Aber was bedeutet dieser Begriff eigentlich? Ein Workshop des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz setzte sich damit auseinander.

Lesezeit 3 min.

Der Griff zum Wörterbuch soll Klarheit bringen: hier wird phasing out mit stufenweiser Rückzug, etwas auslaufen lassen, oder aus etwas aussteigen übersetzt. Ersteres hört sich eher nach einem Bundeswehreinsatz im Irak oder Afghanistan an; etwas auslaufen lassen klingt hingegen nach einem passiven, unkontrollierten Prozess, so wie das Öl in den Golf von Mexiko ausgelaufen ist. Und Aussteiger versuchen sich durch ihr Verhalten von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien, indem sie innerlich oder äusserlich „aussteigen“. Also was ist denn nun phasing out?

Dieser Frage ist der von MMS am 27. Mai in Biel organisierte workshop zum Thema „Phasing out – ein Projekt effizient zu Ende führen: eine echte Herausforderung!“ nachgegangen.

Da ich bei IAMANEH Schweiz in den von mir begleiteten Projekten immer wieder mit „phasing out“ konfrontiert bin, sah ich diesem Event mit Spannung entgegen. Obgleich in allen Projekten früher oder später „outgephast“ (welch ein Unwort) wird, so gibt es doch sehr wenig systematisch aufgearbeitetes Know-how zum Thema, und jede Organisation hat ihre eigene Idee zum phasing out.

Frühzeitige Einbindung des Partners

Unter phasing out versteht man das Beenden von Projekten, Programmen oder Partnerschaften in der Entwicklungszusammenarbeit. Die Gründe für ein phasing out können vielfältig sein. Im besten Fall wird ein Projekt „outgephast“, da das Ziel des Projekts wie geplant erreicht wurde. Andere Gründe für ein phasing out können eine Prioritätenverschiebung der nationalen Entwicklungspolitik, eine instabile politische Lage, fehlende Ressourcen oder ein gravierender Vertrauensmissbrauch der Partnerorganisation sein. Entsprechend der unterschiedlichen Gründe für ein phasing out kann dieses unterschiedlichste Formen annehmen. Im besten Fall wird ein geordneter, sukzessiver Ausstieg geplant, bei dem gewährleistet ist, dass entsprechende Projekte oder Programme in Eigenregie oder von anderen Partnern weitergeführt werden. Die Verantwortung wird so beispielsweise an die lokalen Partner, dies können NGOs oder staatliche Institutionen sein, übertragen. Der lokale Partner wird frühzeitig und transparent in diesen Prozess eingebunden, und mittels Kapazitätsaufbau befähigt, die lessons learnt des Projekts zu multiplizieren. In anderen Fällen nimmt der Rückzug chaotische Formen an: Eine Kooperation wird aus oben genannten Gründen abrupt beendet, zurück bleibt ein lokaler Partner, der nicht dazu in der Lage ist, das Projekt in Eigenverantwortung weiterzuführen. Die Fortführung des Projekts ist in Frage gestellt und bereits erzielte Wirkungen des Projekts zunichte gemacht.

Im Workshop wurde vor allem auf die emotionalen Aspekte des phasing outs eingegangen. Die Berücksichtigung der Ability-Ebene ist stark verknüpft mit der emotionalen Ebene: Nur wenn der Partner gewillt ist, ist der Fortbestand des Projekts bzw. der Wirkungen gesichert. In diesem Kontext stellte der Moderator Adrian Marti beispielsweise das IMDK-Modell (Initiate, Maintain, Depart, Keep-in-touch) vor, das anders als herkömmliche Projektmanagement-Modelle auch die emotionale Ebene berücksichtigt. So drückt das „Maintain“ aus, dass eine Partnerschaft gepflegt werden muss, und gegenseitiges Vertrauen und Toleranz in der Partnerschaft wichtig sind. Das „Keep-in-touch“ bezieht sich auf die Wichtigkeit, auch nach der Beendigung des gemeinsamen Projekts in Kontakt zu bleiben, um aufgebaute Netzwerke weiterhin nutzen zu können. Dies birgt jedoch gleichzeitig die Gefahr, dass sich die Partnerorganisation Hoffnungen auf eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit macht.

Klärung von Rollen und Erwartungen

Kommunikation ist ein zentraler Aspekt in der Zusammenarbeit. Von Anfang an müssen Rollen und Erwartungen geklärt werden. Eine frühzeitige Kommunikation spielt auch beim phasing out eine wichtige Rolle. In der letzten gemeinsamen Projektphase kann ein von Geber und Partnerorganisation ausgearbeitetes „agreement of change“ definieren, wie beispielsweise Kompetenzen übertragen werden und Budgets zurückgehen.

Nicht nur für den Partner, auch für uns, kann das Beenden eines Projekts oder einer langjährigen Partnerschaft einen grossen Verlust bedeuten. Wie beim Beenden einer langjährigen Beziehung braucht diese Phase Zeit und Raum. Ein Ritual, beispielsweise ein Abschiedsfest, kann dem Partner wie auch uns das Abschiednehmen erleichtern.

Nach spannenden Inputs, Fallbeispielen und Diskussionen war meine Meinung zum phasing out bestätigt: Phasing out ist ein hochkomplexes Thema. Kein Wunder, dass sich niemand an eine systematische Aufarbeitung heranwagt. Es muss differenziert werden zwischen dem Beenden eines Projekts, einer Projektpartnerschaft, oder gar dem Schliessen eines ganzen Länderprogramms. Was Projekte betrifft, so muss wiederum differenziert werden zwischen der Unterstützung von Institutionen oder der Unterstützung von Kampagnenprojekten.

Kapazitätsaufbau

IAMANEH Schweiz unterstützt beispielsweise Frauenhäuser für Opfer von häuslicher Gewalt im Westbalkan. Durch kontinuierliche Lobby- und Advocacyarbeit wird die Verantwortungsübernahme durch den Staat angestrebt. Gleichzeitig birgt eine Verantwortungsübernahme durch den Staat die Gefahr, dass der Staat mehr Mitspracherecht einfordert, was kürzlich eingeleitete Prozesse wie beispielsweise Täterarbeit behindern könnte. Anders im westafrikanischen Mali, wo wir ein Zentrum für ausgebeutete Dienstmädchen unterstützen. Ohne finanzielle Unterstützung von „aussen“ muss das Zentrum schliessen, vom Staat ist in nächster Zukunft keine Unterstützung zu erwarten. Hier ist Kapazitätsaufbau im Bereich Organisationsentwicklung und Fundraising ein zentrales Element der phasing-out Strategie, um das Fortbestehen des Projekts und der Partnerorganisation zu sichern. Projekte mit Präventions- und Informationscharakter, wie beispielsweise unser Projekt zur Bekämpfung von Beschneidung in Mali, sind leichter terminierbar, das phasing out gestaltet sich entsprechend einfacher.

Klar, dass an einem einzigen Workshoptag nicht all die verschiedenen Varianten beleuchtet werden können und somit viele Fragen offen bleiben müssen.

In allen Fällen liegt es im Interesse der Zielgruppe, aber auch in unserem Interesse und in unserer Verantwortung, beim phasing out die Nachhaltigkeit der eingeleiteten Entwicklungsprozesse zu sichern.

Fazit: Alles in allem ein sehr spannender, bereichernder Tag, der mir die Komplexität der Thematik einmal mehr vor Augen geführt hat. Und die Erkenntnis, dass weiterbilden inmitten einer sympathischen Teilnehmergruppe noch mehr Spass macht.

*Beate Kiefer arbeitet auf der Geschäftsstelle von IAMANEH in Basel. Kontakt: bkiefer@iamaneh.ch