Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten reif zu sein. (Rilke, Herbsttag)
Liebe Leserin, lieber Leser,
Auch der Herbst war "sehr gross" in diesem Jahr. Nicht nur meine Buben warten darauf, dass er sich nun definitiv verabschiedet, die Winterwinde losgelassen werden, der erste Schnee bei uns im Tal fällt.
Der Herbst bracht auch der Diskussion um Aussenpolitik und "Entwicklungshilfe" [sic] viele Früchte, von denen ich Ihnen in diesem Newsletter einige in einen Korb gelegt habe. Bedienen Sie sich!
Doch hatte ich nicht wirklich auf alles Lust, was da so von den herbstlichen Bäumen gefallen ist. Wenn Bundesrat Blocher forderte, die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika entweder zu streichen und Afrika sich selbst zu überlassen oder den Kontinent ein zweites Mal zu kolonialisieren, hat dies zwar zumindest der Jubiläumstagung der Alliance Sud zum Thema "Leidet Afrika an zu viel Entwicklungshilfe?" zusätzliche Aufmerksamkeit gebracht, ebenso dem Symposium der Novartis-Stiftung zum Thema "Entwicklungszusammenarbeit am Scheideweg: Sackgasse oder neue Horizonte?". Doch zurückgeblieben ist schliesslich das allzu bekannte Bauchweh, die Ohnmacht, dass ehrliches und differenziertes Berichten gegen die lauten Töne der Vereinfacher immer verlieren wird. Besser gar nicht darüber schreiben, um den Schaden nicht noch grösser zu machen?
Dass die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Entwicklungszusammenarbeit kein hoffnungsloses Geschäft ist, zeigt sich aber nicht nur daran, dass die Veranstaltungen von Alliance Sud und der Novartis-Stiftung "ausgebucht" waren. Heute wurde Aussenministerin Calmy-Rey von der Bundesversammlung mit 147 Stimmen als zweite Frau zur Bundespräsidentin für das Jahr 2007 gewählt. Wir gratulieren - und lassen sie auch gleich selbst zu Wort kommen.
Und Ihnen wünsche ich einen guten Rest in diesem Jahr, und wenn Sie sich an den Früchten des Herbstes satt gegessen haben, dann arbeiten Sie ruhig weiter, in Afrika und anderswo. Es ist Zeit.
Beste Grüsse von Thomas Schwarz Co-Geschäftsführer des Netzwerks Medicus Mundi Schweiz
Bundesrätin Micheline Calmy-Rey
"Entwicklungspolitik ist so notwendig und umstritten wie kaum zuvor. Nach über 40 Jahren soll die Entwicklungszusammenarbeit sichtbare Resultate zeigen. Die Ungeduld über Ideen und Ansätze einer wirkungsorientierten Entwicklungszusammenarbeit wächst und scheidet die Geister. In der Aufregung sollten wir es nicht vergessen: Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." (Tagung zum 35. Geburtstag von Alliance Sud, 24. November 2006)
Ständeratsmotion vom 11. Dezember 2006
Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen und die Gesamtheit seiner strategischen Führungsinstrumente auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit einer kritischen Prüfung zu unterziehen: (1.4) Der Bundesrat sorgt für eine rigorose Anwendung des Instruments der Zielvereinbarungen im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit, um eine bessere Integration dieser Fragen in die Aussenpolitik der Schweiz sicherzustellen. (1.5) Der Bundesrat definiert in seiner nächsten Botschaft zur Entwicklungszusammenarbeit ein System strategischer Zielsetzungen, um im Parlament eine Debatte über die Leitsätze der Entwicklungspolitik in Gang zu bringen. (Motion "Instrumente des Bundesrates zur strategischen Führung und gesetzliche Grundlagen", eingereicht von der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats am 11.12.2006)
Peter Niggli; Alliance Sud
"Obwohl die Aussenpolitik heute im Parlament nicht mehr absolute Nebensache ist, gibt es doch sehr wenige ParlamentarierInnen, die eine wirkliche und umfassende aussenpolitische Spezialisierung erworben haben. Das Parlament sollte sich mehr aussenpolitische Kompetenzen aneignen. Es ist als Gesetzgeber dazu befugt – unter Vorbehalt der Zustimmung des Volkes. Insbesondere gilt es, auf laufende intergouvernementale Verhandlungen etwas Gestaltungskraft zu gewinnen. Das wäre der wirksamste Weg, um die überproportionale ausserparlamentarische Einflussnahme auf aussenpolitische Fragen etwas zurückzuschrauben." (MMS-Symposium vom 2. November 2006)
Botschafter Walter Fust, DEZA
"Weltweite Probleme und damit eng zusammenhängende entwicklungspolitische Aufgaben lassen sich nur mit Hilfe einer Zusammenarbeit von Staaten, internationalen Organisationen sowie nicht-staatlichen Akteuren bewältigen. Dafür ist eine politische Perspektive unerlässlich, die Sichtweisen und Interessen der Weltregionen und der lokalen Kulturen angemessen berücksichtigen kann. Um tragfähige Antworten auf die Globalisierung zu erarbeiten, ist die von der Entwicklungszusammenarbeit geleistete 'Übersetzung' unerlässlich. Die Problemlagen mit den Augen anderer sehen zu können: darin liegt unter anderem die Kompetenz und die besondere Leistung der Entwicklungszusammenarbeit. Deshalb hat die Schweiz - wie andere Geber auch – 'wohlverstandene Eigeninteressen', aus denen heraus sie die Entwicklungspolitik weiterentwickeln will. Sie muss in der Entwicklungszusammenarbeit diesen Willen leben und sich selbst sein." (Symposium der Novartis Stiftung für Nachhaltige Entwicklung, 8. Dezember 2006)
Bericht von Wolfram Metzger
"Das Gesundheitsprogramm Barrio Adentro versorgt kostenfrei Millionen Venezolaner aus den Armenvierteln – bis hin zu Herzoperationen. Neoliberale Gesundheitskonzepte für 'Dritte-Welt'-Länder werden damit als reine Profitmacherei entlarvt." (Junge Welt, 29. November 2006)
Eldis Health Reporter
"Whereas in Latin America and the Caribbean, early childhood programmes have reduced malnutrition and contributed to children's well-being and readiness for school, the lack of such programmes in sub-Saharan Africa makes it harder to detect and treat health problems linked to poor nutrition there. At present, the children most likely to benefit from Early Childhood Care and Education (ECCE) programmes - those most exposed to malnutrition and preventable diseases - are the least likely to be enrolled." (November 2006)
Olympe, Heft 24
"Neue Formen von Vergesellschaftung entstehen in der hiesigen Gesellschaft. Personen mit Migrationshintergrund prägen das Leben in der Stadt, im Kanton, auf dem Land und gestalten transnationale Sozialräume mit Elementen der Herkunfts- und der Ankunftsregion. Vor allem Jugendliche sind die GestalterInnen dieser transnationalen Räume. Die Prävention von sexueller Gewalt ist ein wichtiges Element, das diese transnationalen Räume mitgestaltet. Es braucht gesellschaftspolitische und strukturelle Veränderungen in der Aufnahmegesellschaft, um sexuelle Gewalt zu verhindern, aber es braucht auch eine klare persönliche Haltung von Erwachsenen, um das zu erreichen. Prävention verlangt von allen den Mut, nicht wegzuschauen, sondern die sexuelle Gewalt zu benennen und dagegen Stellung zu beziehen."
Fernsehsendung vom 22. November 2006
"Alle 30 Sekunden stirbt in Afrika ein Kind an Malaria, weltweit sind es Jahr für Jahr bis zu drei Millionen Menschen. Der Kampf gegen den grössten Killer der dritten Welt scheint aussichtslos. Und doch hat die Malaria einen hartnäckigen Gegner – aus Basel. Marcel Tanner, Direktor des Schweizer Tropeninstituts, hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, an vorderster Front und auch mit unkonventionellen Mitteln gegen die Tragödie anzukämpfen." (Videoarchiv SF DRS, Sendung Reporter)
Interview im Tages Anzeiger
"Seit 80 Jahren ist SolidarMed in der Afrikahilfe tätig. Der Basserdorfer Arzt Hugo Morger flickte in dessen Auftrag auf einer Missionsstation in Lesotho Knochen und Generatoren." (14. November 2006)
Interview im SRK-Magazin
Daniel Biedermann, Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), hat Anfang November 2006 die SRK-Projekte in Swasiland besucht. Im Kleinstaat im südlichen Afrika sind rund 33 Prozent der Erwachsenen mit dem HI-Virus infiziert.
Neue Infobroschüre von IAMANEH Schweiz
"Von der Geburt bis zum Tod, in Friedens- wie in Kriegszeiten erleiden Frauen Gewalt und Diskriminierung sowohl durch den Staat als auch durch ihr gesellschaftliches oder familiäres Umfeld. Gewalt gegen Frauen ist rund um den Erdball über die Grenzen von Wohlstand, Hautfarbe und Kultur hinweg eine tägliche Realität." (November 2006)
Basel, 8-9 February 2007
"The conference is dedicated to the analysis of the role of non-state actors and emerging political arenas that shape norms and standards of the public sphere. The key focus will be on countries of the South and on North-South comparative analysis. The objective is to develop an interdisciplinary and empirically grounded conceptual framework that links specific social, political and economic processes with the problem of generalising legitimate public authority."
Basel, 2. Februar 2007
Die frühe Mutter-Kind-Beziehung ist weltweit ein Hauptindikator für die spätere Gesundheit. Referat von Bertrand Cramer, Kinderpsychiater in Genf und international tätiger Psychoanalytiker.
Lausanne, 25. Januar 2007
"Der Tagung zugrunde liegt das anthropologische Postulat, wonach Elternschaft und Kindesverhältnis in allen menschlichen Gesellschaften weder natürlich noch rein biologisch, sondern gesellschaftlich und kulturell konstruiert sind und regelmässig in Frage gestellt werden. Wie kann dieses Thema heute ernsthaft aufgegriffen und reflektiert werden?"
Basel, 14. Dezember 2006
Vortrag von Fred Krüger, Erlangen, im Rahmen eines Vortragszyklus der Geographisch-Ethnologischen Gesellschaft Basel.