Klimawandel: Gesundheitsfachleute müssen unbedingt in die nötigen Schritte einbezogen werden
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Während das gesellschaftliche und politische Leben in verschiedenen Teilen deutlich ökologischer wurde, bleibt unklar, ob genügend energische gesetzliche und operative Massnahmen ergriffen werden oder ob es starken Widerstand gegen Massnahmen geben wird, die unsere Lebensweise beeinflussen, also Kosten verursachen oder Einschränkungen bedeuten … Am 13. Juni 2021 wurde in der Schweiz ein wichtiges "CO2-Gesetz" in einer Volksabstimmung (Referendum) knapp abgelehnt. Das ist besorgniserregend.

"Am 13. Juni 2021 wurde in der Schweiz ein wichtiges "CO2-Gesetz" in einer Volksabstimmung (Referendum) knapp abgelehnt. Das ist besorgniserregend."

Der allgemeine Zustand des Klimas wird – mit regelmässigen Updates – im "Lancet Countdown on Climate and Health (2021)" treffend beschrieben. Auch wenn die Dringlichkeit nicht so deutlich und unmittelbar ins Auge springt wie Anfang 2020 bei der Covid-Pandemie, werden klimabedingte Gesundheitsprobleme deutlich zunehmen – und es besteht kein Zweifel daran, dass die auf den Klimawandel zurückzuführenden Verluste in Bezug auf zukünftige Morbidität und Mortalität weltweit wesentlich grössere Dimensionen annehmen werden als die covidbedingten Verluste.

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Die gegenwärtigen Probleme erfordern unserer Meinung nach eine aktive Einmischung des Gesundheitspersonals, nicht nur im Hinblick auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen im Gesundheitssystem, sondern auch im öffentlichen Raum. Gesundheitsfachkräfte sind in der Gesellschaft im Allgemeinen respektiert und geschätzt und die Bevölkerung vertraut ihnen. Das verpflichtet uns in besonderem Mass, die kleinen wie grossen Veränderungen mitzugestalten und umzusetzen, die die Klimakrise erfordern.


Ein bemerkenswertes Ereignis in Genf

Am 29. Mai 2021 traf sich WHO-Generaldirektor Dr. Tedros mit 200 "Weisskitteln", also Ärztinnen und Ärzten, Krankenpfleger*innen und anderen Gesundheitsfachkräften, die aus Anlass der Weltgesundheitsversammlung auf ihn zukamen, um die Notwendigkeit eines schnellen, nachdrücklichen Handelns in Bezug auf den Klimawandel zu unterstreichen. Der Anlass wurde vom Schweizer Ableger der Doctors4XR organisiert und von mehreren führenden Ärztinnen und Ärzten und medizinischen Hochschuldozent*innen angeführt, darunter Prof. Valérie D’Acremont aus Lausanne, Spezialistin für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin.

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"Gesundheitsbehörden müssen die Folgen des Klimawandels und des Rückgangs der Biodiversität ins Zentrum stellen und die Ausrufung des Notstands für Klima und Biodiversität unterstützen" Prof. Valérie D’Acremont aus Lausanne, Spezialistin für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin

Sie zogen schweigend von der Place des Nations zum WHO-Sitz, wo sie von Dr. Maria Neira, Direktorin der Abteilung für öffentliche Gesundheit und Umwelt, und Dr. Tedros persönlich empfangen wurden. Sie übergaben Dr. Tedros einen von über 1000 Gesundheitsfachleuten unterzeichneten Brief und eine grosse Sanduhr, das Symbol von Extinction Rebellion.

In ihrer Rede forderte Prof. D’Acremont den WHO-Generaldirektor dazu auf, gegenüber den Mitgliedstaaten nachdrücklich einzumahnen, in Klimafragen in Zukunft entschiedener zu handeln. "Gesundheitsbehörden müssen die Folgen des Klimawandels und des Rückgangs der Biodiversität ins Zentrum stellen und die Ausrufung des Notstands für Klima und Biodiversität unterstützen", sagte sie.

Auch zwei bekannte Gesundheitsexperten kamen zu Wort: Dr. Richard Horton, Herausgeber des Lancet und Dr. James Hospedales, ehemaliger Leiter der Caribbean Public Health Association, richteten sich in einer Video-Schaltung direkt an Dr. Tedros und unterstützten die Botschaft der versammelten Fachleute.

Dr. Jean Martin
Dr. Jean Martin ist Arzt für öffentliche Gesundheit. Er war acht Jahre in Übersee tätig, unter anderem für die WHO und arbeitete als Kantonsarzt im öffentlichen Gesundheitsdienst des Kantons Waadt, Schweiz. Er ist Mitglied von "Doctors4XR" und den "Klimagrosseltern". Email